Der bekannteste Ultra Deutschlands

Berlin. Philipp Markhardt kann sich noch genau an sein erstes Mal erinnern. Anfang der 1990er Jahre nahm ihn sein Vater mit ins Hamburger Volksparkstadion. Der HSV unterlag Wattenscheid 09 mit 0:1. Trotz der Niederlage war dies der Startschuss für eine leidenschaftliche Karriere als Fußball-Fan. "Normalerweise bindet so ein Kick niemanden an einen Verein", sagte Markhardt

 HSV-Ultra Philipp Markhardt ist als Ultra-Sprecher einer der zentralen Figuren der Fußball-Fans, die sich gegen das DFL-Sicherheitskonzept stemmen. Foto: Axel Heimken/dpa

HSV-Ultra Philipp Markhardt ist als Ultra-Sprecher einer der zentralen Figuren der Fußball-Fans, die sich gegen das DFL-Sicherheitskonzept stemmen. Foto: Axel Heimken/dpa

Berlin. Philipp Markhardt kann sich noch genau an sein erstes Mal erinnern. Anfang der 1990er Jahre nahm ihn sein Vater mit ins Hamburger Volksparkstadion. Der HSV unterlag Wattenscheid 09 mit 0:1. Trotz der Niederlage war dies der Startschuss für eine leidenschaftliche Karriere als Fußball-Fan. "Normalerweise bindet so ein Kick niemanden an einen Verein", sagte Markhardt. An jenem Tag erregte ohnehin nicht so sehr das Spiel die Aufmerksamkeit des damals Elfjährigen. "Ich habe fasziniert auf die Fankurve geschaut. Da wurden auch die einen oder anderen Bengalos gezündet", erinnerte sich der bekannteste deutsche Ultra.

Als Sprecher der Organisation "ProFans" und der Protestaktion "12:12" ist Markhardt die zentrale Figur der Fans und ihrer Ablehnung des Sicherheitskonzeptes der Deutschen Fußball-Liga (DFL) und des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Er ist das Sprachrohr von circa 50 deutsche Ultragruppen, die in der heftig geführten Sicherheitsdebatte eine Gefahr für ihre Fankultur sehen. Sie hoffen, dass die Vertreter der 36 Proficlubs heute auf der Mitgliederversammlung in Frankfurt das umstrittene Konzept nicht verabschieden oder zumindest die Entscheidung vertagen.

Obwohl das Konzept bereits überarbeitet wurde, lehnen Markhardt und die Fan-Organisationen das Papier ab. Auch von Vereinsseite des HSV bestünde noch Kritik: "Es hat sich nicht viel geändert, da ist es logisch, dass die Clubs das nicht einfach abnicken." Doch nicht nur die Hamburger Club-Verantwortlichen äußerten Zweifel. Eine Reihe von Vereins-Vertretern kritisierten vor allem den Zeitpunkt zur Abstimmung.

Das Thema Ganzkörperkontrollen erregt bei den Fans ganz besonderen Missmut. "Das neue Papier enthält zwar das Wort Vollkontrollen nicht mehr, dennoch findet man weiterhin Umschreibungen, die letzten Endes darauf hinauslaufen. Solche Kontrollen greifen zu sehr in die Persönlichkeitsrechte aller Fans ein", erklärte Markhardt.

Mit bundesweiten Demonstrationen und der beispiellosen Protestaktion "12:12" an drei Spieltagen hintereinander haben die Ultras im Vorfeld des Termins medienwirksam auf ihr Anliegen aufmerksam gemacht und ein noch nie dagewesenes Echo erzeugt. "Viele Ultras wollen eigentlich nicht mit den Medien sprechen", betonte Markhardt, "doch ich erachte es als sinnvoll, die Medien für uns nutzen. Für mich war das ohnehin kein Problem, ich arbeite in einer PR-Firma." Dass Markhardt ständig in Sachen Fußball und HSV unterwegs ist und Ultras in der öffentlichen Wahrnehmung ein "Böses-Buben-Image" besitzen, stört seinen Chef nicht. "Der ist selbst HSV-Fan und zusammen mit mir im Europapokal auswärts mitgefahren", offenbarte Markhardt.

Bevor sich der 32-Jährige in Fan-Organisationen engagierte, ging er als "normaler" Fan ins Stadion. Die erste HSV-Dauerkarte kaufte er sich 1993. "Die war allerdings an schulische Leistungen geknüpft", bemerkte er. Drei Jahre später schloss er sich dem HSV-"Supporters-Club" an und reiste fortan auch auswärts mit. Dem Fanclub "Chosen Few" trat er 1999 bei, stieg nur ein Jahr später zum führenden Mitglied auf und ist es noch heute. "Damals spielten Ultras noch keine Rolle. Den Gruppen gehörten keine 100 Mann an", erinnerte er sich.

Um die Jahrtausendwende verloren die Hooligans in Deutschland an Bedeutung, und der Fokus der Polizei richtete sich vermehrt auf die aufkommende Ultrabewegung. "Die Polizei beging damals den Fehler, das auf die Hooligans zugeschnittene Konzept 'Sport und Sicherheit' auf die Ultras anzuwenden", meinte Markhardt. Das habe zu Spannungen zwischen der Polizei und den Ultras geführt, die sich bis heute gehalten hätten. Er moniert das ruppige Verhalten vieler Beamter gegenüber den Ultras. Dazu fällt ihm der Satz ein: "Behandle Menschen wie Tiere und sie werden wie welche." "Behandle Menschen wie Tiere und sie werden wie welche."

Philipp Markhardt

Hintergrund

Nicht alle Ultras sind gleich. Es gibt unterschiedliche Szenen, die sowohl landesspezifisch als auch kurvenintern über verschiedene Strukturen, Regeln, Schwerpunkte und Vorstellungen, was für sie "Ultra" bedeutet, verfügen. Selbst innerhalb einzelner Gruppen kann es unterschiedliche Ansichten geben. Der kleinste gemeinsamen Nenner für die Definition des Begriffs "Ultra" könnte folgender sein: Ultras sind besonders leidenschaftliche, emotionale und engagierte Fans. Sie haben sich zur Aufgabe gemacht, in den Fußballstadien "ihre" Mannschaft bestmöglich und kreativ zu unterstützen. Gewalt spielt dabei laut Ultras keine Rolle. red

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