Ultras und fehlende Differenziertheit

Es gibt Diskussionen, die sind so emotionsschwanger, dass eines von ihnen nicht zu erwarten ist: Differenziertheit. Da wird geschrien, es wird überzeichnet, es wird polemisiert - es wird einfach nicht so differenziert diskutiert, als dass am Ende ein für beide Seiten zufrieden stellendes Ergebnis stehen könnte

Es gibt Diskussionen, die sind so emotionsschwanger, dass eines von ihnen nicht zu erwarten ist: Differenziertheit. Da wird geschrien, es wird überzeichnet, es wird polemisiert - es wird einfach nicht so differenziert diskutiert, als dass am Ende ein für beide Seiten zufrieden stellendes Ergebnis stehen könnte. Ein gutes Beispiel ist die derzeitige Diskussion über Ultras in den deutschen Fankurven. Für die einen sind sie pubertierende Menschen, die mit zu viel Alkohol im Blut im Fußballstadion Feuerwerk abbrennen, den Platz stürmen, danach Polizisten und kleine Kinder verprügeln. Für die anderen sind Ultras die Wahrer der Fankultur. Stehplatzverbote, Freigabe von pyrotechnischen Gegenständen, Stadionverbote, die Kosten für Polizeieinsätze - die Diskussion scheint uferlos.Vielleicht haben sich genau deshalb Martin Thein und Jannis Linkelmann dazu genötigt gefühlt, der Diskussion die Emotion zu nehmen. Herausgekommen ist das Buch: "Ultras im Abseits? Porträt einer verwegenen Fankultur". Es ist eine Sammlung von Texten zum Thema Ultras. Damit unternehmen die Herausgeber den Versuch, die Subkultur "Ultra" von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Zu Wort kommen Fanbeauftragte, Journalisten, Wissenschaftler und die Polizei. Darüber hinaus kommen Mitglieder verschiedener Ultra-Gruppierungen ausführlich zu Wort. Die Autoren sind allesamt Fachleute, geben ihre Sicht der Dinge klar wieder, und so wird nach der Lektüre der Texte vor allem eines klar: Nichts ist klar unterscheidbar.

Die Szene der Ultras ist so vielfältig wie der Fußball selbst. Alle Ultras über einen "Gewalt-Kamm" zu scheren, ist spätestens nach der Lektüre dieses Buches nicht mehr möglich. Dass die Polizei rund um ein Stadion immer ein Freund und Helfer ist, ist nach Lektüre des Buches auch nicht mehr haltbar. Dass der Deutsche Fußball-Bund mit seinem Verhalten in der Pyrotechnik-Diskussion sogar ein Brandbeschleuniger in den Kurven war, wird nach dem Lesen des Buches deutlich. Das Buch hilft, alle Parteien besser zu verstehen, und es hilft, das verzerrte Bild, das sich in den Köpfen Vieler festgesetzt hat, zu entzerren. Damit ist es vor allem eines: empfehlenswert.

Jannis Linkelmann und Martin Thein (Hrsg.): Ultras im Abseits? Porträt einer verwegenen Fankultur. 272 Seiten, Paperback, ISBN: 978-3-89533-847-2, 1. Auflage 2012, 14,90 Euro.

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