Statt Olympia nun Europaspiele
Hamburg. Noch vor einem Jahr, erzählt Volker Himmer, war der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) kategorisch gegen die Idee der Europaspiele. "Daran nehmen wir nicht teil", hieß es damals, berichtet der Sportdirektor des Deutschen Rugby-Verbandes (DRV) von einer DOSB-Versammlung
Hamburg. Noch vor einem Jahr, erzählt Volker Himmer, war der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) kategorisch gegen die Idee der Europaspiele. "Daran nehmen wir nicht teil", hieß es damals, berichtet der Sportdirektor des Deutschen Rugby-Verbandes (DRV) von einer DOSB-Versammlung. Doch als die Vereinigung der europäischen Nationalen Komitees (EOC) am vergangenen Freitag in Rom darüber entscheiden ließ und mit 38:8 Stimmen die erste Veranstaltung 2015 in Baku dekretierte, fand DOSB-Präsident Thomas Bach die Idee plötzlich prima. "Es ist erst einmal ein Test mit nicht allen 28 olympischen Sportarten. Darum waren wir am Ende auch dafür", wurde Bach zitiert.
7000 Athleten geplant
Woher dieser Sinneswandel? Hat der schnöde Mammon den Ausschlag gegeben? Denn DOSB und die teilnehmenden 15 Sportarten - neben den Mannschaftssportarten Rugby (in der 7er-Variante), Volleyball und Handball sind Taekwondo, Judo, Schießen, Fechten, Bogenschießen, Badminton, Boxen, Kanu, Tischtennis und Triathlon vorgesehen - müssen für diesen Testlauf mit rund 7000 Athleten nicht einen Cent ausgeben. "So, wie ich das verstanden habe, übernimmt Baku sogar die Einkleidung der Mannschaften, einfach alles", sagt Himmer. Davon sei im letzten Jahr nicht die Rede gewesen.
Für finanzschwache Verbände ist das enorm attraktiv. "Wir sind finanziell nicht so aufgestellt, dass wir an jedem Turnier teilnehmen könnten", sagt Himmer. Deshalb werde das deutsche Rugby teilnehmen, so nicht politische Gründe dagegen sprächen. Himmer meint auch, dass angesichts der Asien- und Afrikaspiele ein europäisches Format sich geradezu aufgedrängt habe.
Doch trotz der vielen Petro-Dollars, die aus Aserbaidschan fließen: Längst nicht alle deutschen Sportverbände, die in Baku den Testlauf mitmachen sollen, stehen der Idee vorbehaltlos begeistert gegenüber. Der deutsche Handball etwa sieht das neue Format extrem kritisch. "Terminlich ist das eine Katastrophe", sagt der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga, Frank Bohmann. Denn damit wird das jetzt schon brutale Programm der besten Handballprofis auf sechs große Turniere (Olympia, je zwei Europa- und Weltmeisterschaften) in einem olympischen Zyklus erhöht. "Ich kann mir eine Beteiligung in Baku eigentlich nur für U23-Meisterschaften vorstellen", sagt denn auch Sabine Holdorf-Schust, Geschäftsführerin des Rekordmeisters THW Kiel. Andere Funktionäre meinen, dass in den Europaspielen womöglich auch eine Chance liege - dann, wenn im Gegenzug die Welt- und Europameisterschaften wieder in einen Vierjahreszyklus gespielt werde, und nicht mehr alle zwei Jahre.
Aus ähnliche Motiven lehnt auch der Deutsche Tischtennis-Bund (DTTB) die Europaspiele ab. "Wir haben in unserer Sportart eine Terminflut", sagt DTTB-Generalsekretär Matthias Vatheuer. "Wir müssen sehen, dass wir diesen Kalender entzerren." Er kritisiert zudem, dass der DTTB bislang keinerlei Informationen seitens des Europäischen Dachverbandes ETTU erhalten habe. Auch der DRV weiß bisher nicht, wie die konkreten Planungen aussehen. "Das ist alles noch sehr im Vagen", sagt Rugbyfunktionär Himmer. Die großen Sportverbände im olympischen Sport, die Leichtathletik und das Schwimmen, sehen die Europaspiele aus ähnlichen Gründen kritisch - hier haben die europäischen Dachverbände früh klargemacht, 2015 nicht zur Verfügung zu stehen.
Auch deshalb ist die Wende des DOSB verblüffend. Womöglich steht dahinter auch machtpolitisches Kalkül. Wenn Bach sich Ende 2013 zum IOC-Präsidenten wählen lassen will, wie er am Wochenende erstmals bestätigte, ist er schließlich auf jede Stimme angewiesen. Auch auf die des irischen Initiators der Europaspiele, EOC-Präsident Pat Hickey.