Ballack auf zwei Abstellgleisen

Stuttgart. Mit sechs Feldspielern arbeitete Michael Ballack (Foto: dapd) gestern auf dem Trainingsplatz hinter dem Bayer-Stadion. Nichts anmerken ließ sich der 34-Jährige. Dabei kennt er diese Situation kaum. In einer Länderspiel-Woche war er über zwölf Jahre in der Regel unterwegs. Stattdessen mit Reservisten zu arbeiten - das hat der 98-malige Nationalspieler praktisch nie kennen gelernt

Stuttgart. Mit sechs Feldspielern arbeitete Michael Ballack (Foto: dapd) gestern auf dem Trainingsplatz hinter dem Bayer-Stadion. Nichts anmerken ließ sich der 34-Jährige. Dabei kennt er diese Situation kaum. In einer Länderspiel-Woche war er über zwölf Jahre in der Regel unterwegs. Stattdessen mit Reservisten zu arbeiten - das hat der 98-malige Nationalspieler praktisch nie kennen gelernt. Bei Fußball-Bundesligist Bayer Leverkusen, dem nach dem Aus im DFB-Pokal bei Zweitligist Dynamo Dresden (3:4 nach Verlängerung) mit dem 0:2 bei Mainz 05 auch der Liga-Start am Sonntag missriet, ist für Ballack in diesen Tagen alles anders. Wie in der deutschen Nationalelf ist der Sachse ins Aus gelaufen, auch bei der Werkself spielt er nicht mehr mit.Einen Abgesang auf seine große Karriere stimmte Franz Beckenbauer an. Die Einschätzung des früheren Trainers der Nationalelf klang fast wie eine Grabrede. Ballacks Spielstil sei nicht mehr zeitgemäß. Er habe ein "würdiges Ende" verdient. Eben dieses Ende hat Bundestrainer Joachim Löw ihm geben wollen.

Die Nationalelf bereitet sich seit gestern in Stuttgart auf das Testspiel morgen gegen Brasilien vor. Ballack hätte dabei sein können. Löw wollte ihn angemessen verabschieden. Doch der Mittelfeldspieler lehnte das Angebot mit harschen Worten ab, bezichtigte Löw in der Diskussion um seinen Abschied aus der Nationalelf sogar, die Unwahrheit zu sagen und sich nicht an im März getroffene Absprachen zu halten.

Bis zu der Entscheidung, die Abschiedsofferte zurückzuweisen, war Ballack offiziell Kapitän der deutschen Elf. Nun steht er auf dem Abstellgleis. Von Löw ausrangiert, in Leverkusen vom neuen Trainer Robin Dutt (Foto: afp) ebenso. "Leistung ist der eine Parameter. Da genießt kein Spieler eine Ausnahmestellung", sagt Dutt. Im Klartext: Ballack hat derzeit keinen Stammplatz verdient. Beim Pokal-Aus in Dresden kam er nach einer Stunde in die Partie. Die 3:0-Führung ging verloren, die einst häufig gezeigte Fähigkeit, eine in Schwierigkeiten geratene Mannschaft zu führen, entwickelte er nicht. "Er hatte eine Teilschuld, wie die anderen auf dem Platz auch", sagte Dutt und ließ Ballack in Mainz auf der Ersatzbank sitzen, wie es sein Vorgänger Jupp Heynckes oft praktiziert hatte.

Sonderrechte erhält der einst größte Star des deutschen Fußballs bei Dutt durchaus. "Was seine Person, seine Vita betrifft, genießt er eine Ausnahmestellung. Es ist klar, dass ich mich mit seiner öffentlichen Position mehr auseinander setzen muss", sagt Dutt. Der vom SC Freiburg gekommene Trainer kennt die Problematik. Ballack ist in der öffentlichen Wahrnehmung nicht irgendwer. Darauf reagiert Dutt, indem er sich Fragen nach Ballack nicht entzieht. Bei Bayer haben sie das Szenario x-mal durchgespielt, wie atmosphärische Störungen entgegenzutreten sind, wenn Ballacks Degradierung wieder mehr Schlagzeilen verursacht, als sportliche Erfolge.

Glücklich sind die Leverkusener mit Ballack nie geworden, seitdem er nach der Weltmeisterschaft 2010, die er verletzt verpasst hatte, vom FC Chelsea zurückkehrte. "Status quo ist, dass es mit ihm bis heute keine Probleme gab", sagt Dutt - und spricht offen an, dass Ballack nicht mehr die Fitness besitzt, um Anspruch auf einen Stammplatz zu erheben: "Er ist fit, aber natürlich nicht wie jeder andere Spieler. Michael ist 34 Jahre alt und keine 18." Dass er wegen seines Alters und nicht wegen des Nachholbedarfs nach den Verletzungen nicht die Idealwerte besitzt, hat sich vorher keiner getraut zu sagen. "Seine persönlichen Leistungsfaktoren sind alle auf einem guten Niveau. Er ist verletzungsfrei. Seine Ausdauerfaktoren sind für seinen Bereich top", fügt Dutt an. Aber die Schnelligkeit lässt zu wünschen übrig. Und diese ist die entscheidende Größe im modernen Fußball. In Leverkusen werden daher Vermutungen laut, dass Ballack noch vor Ende der Saison das Weite suchen könnte - vielleicht in irgendein arabisches Fußball-Rentnerparadies. dapd

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