Auf den Spuren von Zidane

Lissabon · Leitwölfin, Spielgestalterin, Torjägerin: Nadine Keßler spielt in der Form ihres Lebens. Nach schweren Verletzungen hat sich die Kapitänin des Bundesligisten VfL Wolfsburg zur Weltklassespielerin entwickelt.

Nadine Keßler hat schon immer Zinedine Zidane als ihr Vorbild bezeichnet. Geht es nach Teamkollegin Martina Müller, wird die Kapitänin des VfL Wolfsburg bald eine Gemeinsamkeit mehr mit dem französischen Fußball-Idol haben. "Sie gehört für mich nicht nur zu den Besten der Welt, sondern an die Spitze", sagte Deutschlands Fußballerin des Jahres: "Ich hoffe, dass sie in den kommenden Jahren Weltfußballerin wird."

Ob im Vereins- oder im DFB-Trikot: Keßler ist in der Form ihres Lebens. Neben ihrer Rolle als zweikampfstarke Leitwölfin und kreative Spielgestalterin beweist die 26-Jährige in dieser Saison auch ihre Torgefahr. 17 Treffer erzielte die Europameisterin in dieser Saison wettbewerbsübergreifend für den VfL, dazu sechs im Nationalteam - und das als defensive Mittelfeldspielerin. Ihr ist es merklich unangenehm, ständig auf diese Zahlen angesprochen zu werden. "Da waren viele Tore nach Standards dabei", sagte "Kessi", als würde das die Leistung schmälern. Bei einer Größe von 1,69 Metern trifft sie erstaunlich oft per Kopf: "Dass die Bälle so perfekt bei mir landen, ist auch der Verdienst von Lena." Mit jener Lena Goeßling bildet sie in der Schaltzentrale des VfL wie in der Nationalelf ein kongeniales Duo.

Als eines der größten Fußball-Talente galt die Pfälzerin schon zu Beginn ihrer Karriere beim 1. FC Saarbrücken. Doch einem Knorpelschaden im Knie folgten massive Komplikationen. Die Narben am Gelenk sind unübersehbar. Sechs Mal musste Keßler operiert werden, die Karriere hing am seidenen Faden. Diese Zeit, sagt Keßler, hat sie entscheidend geprägt. "Nach solchen Rückschlägen weiß man allein die Möglichkeit, weiter Fußball zu spielen, viel mehr zu schätzen." Sie kämpfte sich zurück, wechselte 2011 von Turbine Potsdam nach Wolfsburg, gewann im vergangenen Jahr vier Titel und entwickelte sich zu einer Leitfigur, die auch Bundestrainerin Silvia Neid nicht mehr missen möchte: "Nadine ist ein toller Typ, eine große Persönlichkeit."

Und unverwüstlich dazu. Im letztjährigen Champions-League-Finale in London gegen Olympique Lyon spielte sie nicht nur mit einer Schiene an der Hand, sondern auch mit einem gebrochenen Zeh, den sie sich betäuben ließ.

Weil sie aber eben erfahren hat, dass der Körper seine Grenzen hat, hat sie immer auch ihre berufliche Entwicklung vorangetrieben. Per Fernstudium machte Keßler den Bachelorabschluss als Fitnessökonomin und arbeitete bis vor Kurzem halbtags bei einer Marketingagentur. Per Fernstudium steht ab dem Herbst der Master auf dem Programm. Ihrem Sport will sie auch nach der aktiven Zeit erhalten bleiben. Genau wie Zinedine Zidane.

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