Fußball Wunderkind zwischen Rekorden und Zweifeln

Dortmund · Youssoufa Moukoko könnte nach seinem 16. Geburtstag im November sein Bundesliga-Debüt bei Borussia Dortmund feiern.

 Er ist erst 15 Jahre alt, aber das wohl größte Talent im deutschen Fußball: Youssoufa Moukoko könnte im November für Borussia Dortmund in der Bundesliga debütieren.

Er ist erst 15 Jahre alt, aber das wohl größte Talent im deutschen Fußball: Youssoufa Moukoko könnte im November für Borussia Dortmund in der Bundesliga debütieren.

Foto: dpa/Revierfoto

Der Plan von Trainer Lucien Favre stand fest. In der Länderspielpause Ende März sollte Youssoufa Moukoko erstmals mit den Profis von Borussia Dortmund trainieren. Die Corona-Pandemie hat das 15 Jahre alte Wunderkind des BVB zwar vorerst gestoppt, doch Moukoko hat das nächste Ziel schon fest im Visier: Im November wird er 16 und könnte dann sein Debüt in der Fußball-Bundesliga geben.

Nachdem die Deutsche Fußball Liga (DFL) in der vergangenen Woche den Weg endgültig frei gemacht hat, könnte Moukoko den nächsten Rekord knacken und den früheren Dortmunder Nuri Sahin (16 Jahre, 11 Monate und 2 Tage) als jüngsten Bundesligaspieler ablösen. „Es geht mir nicht darum, einen Rekord zu knacken, sondern darum, dass wir Youssoufa zumindest die Option geben, mit 16 Jahren in der Bundesliga eingesetzt werden zu dürfen“, sagt Jugendkoordinator Lars Ricken. Der BVB will die Möglichkeit nutzen, Moukoko „an das höchste Level heranzuführen“. Daher konnte es Moukoko laut Ricken „kaum erwarten, dass die alte Regel fällt“.

Nach der alten DFL-Regel erhielten bisher nur „A-Junioren des jüngeren und älteren Jahrgangs sowie B-Junioren des älteren Jahrgangs nach Vollendung des 17. Lebensjahres“ eine Spielgenehmigung. Somit lag das früheste Alter derzeit bei 16 Jahren und sechs Monaten.

Durch die Senkung der Altersgrenze ist die DFL dem Beispiel der anderen europäischen Topligen (England, Spanien, Italien, Frankreich) gefolgt. Für das größte Aufsehen in Europa hatte zuletzt „Wunderkind“ Ansu Fati vom FC Barcelona gesorgt. Mit 17 Jahren und 40 Tagen hat sich das Supertalent aus Guinea-Bissau im Dezember zum jüngsten Torschützen in der Champions League gekrönt. Bei seinem Debüt in der spanischen Liga war Fati erst 16, Ende August 2019 hatte er sich im Alter von 16 Jahren und 304 Tagen als jüngster Liga-Torschütze in die Club-Historie eingetragen. Die Ausstiegsklausel Fatis wurde daraufhin auf 170 Millionen Euro angehoben.

Die Bestmarke von Sahin in der deutschen Bundesliga dürfte Moukoko, sofern alles planmäßig verläuft, unterbieten – ohnehin kennt sich das Dortmunder Ausnahmetalent mit Bestmarken bestens aus. Anfang März sorgte er in der U19-Bundesliga mit seinem 34. Treffer nach 20 Spielen für einen Torrekord und übertraf Haluk Türkeri (VfL Bochum, 2004/2005, später 2009/2010 mit 21 Spielen/1 Tor bei der SV Elversberg) und Johannes Eggestein (Werder Bremen, 2015/2016). In der vergangenen Saison hatte er mit 46 Treffern bereits den Torrekord des früheren Schalkers Donis Avdijaj in der U17-Bundesliga geknackt.

Überraschend kommen diese Zahlen nicht. Moukoko sorgte in der U17-Bundesliga schon als Zwölfjähriger für Furore und warf damit Fragen auf. Die Trainer der Gegner, eigens befragte Sportmediziner, die Fans am Bauzaun neben dem Spielfeld: Sie alle meldeten Zweifel an. Und sie bewegten sich auf dem gefährlich schmalen Grat zwischen (angemessener) Skepsis und bösen Vorurteilen gegenüber Afrikanern. Denn Youssoufa Moukoko ist dunkelhäutig. Ein Deutsch-Kameruner mit Geburtsort Jaunde. Da liegt es nahe, aus dem fernen, bürokratischen Deutschland Schummelei zu vermuten. Dabei hat Youssoufas Vater Joseph mehrmals eine Geburtsurkunde des deutschen Konsulats vorgelegt: vom 20. November 2004. Auch der BVB verwies immer darauf, dass Originaldokumente vorliegen.

Natürlich hat sich auch schon der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mit dem Offensiv-Juwel beschäftigt. Überstürzen will der DFB allerdings nichts. „Wir müssen aufpassen, dass es sich bei Youssoufa nicht so entwickelt wie einst bei Fiete Arp“, sagt U19-Trainer Guido Streichsbier: „Bei Fiete wurde die Erwartungshaltung bundesweit so schnell so groß, dass ein gerade 17-Jähriger den Hamburger SV plötzlich alleine tragen sollte. Das geht nicht – und da sind wir alle gefordert.“

Arp war 2017 mit 17 Jahren und 295 Tagen der bis dahin siebtjüngste Torschütze der Bundesliga sowie der bis dahin jüngste Torschütze des HSV in der Bundesliga. 2019 wechselte er zum FC Bayern – laut Medien für eine Ablöse von 2,5 Millionen Euro, die sich erfolgsabhängig auf fünf Millionen erhöhen kann. Aber: Seither hat Arp noch keinen Einsatz bei den Profis bekommen – weder bei Niko Kovac noch bei Hansi Flick. Meist spielt er in der zweiten Mannschaft in der 3. Liga. Eine Perspektive nach oben gibt es kaum noch, andere Talente wie Joshua Zirkzee haben ihm den Rang abgelaufen.

Zurück zu Moukoko. Die Dortmunder kennen sich mit Hochveranlagten aus. Ihr Transfermodell basiert ganz stark darauf, ganz junge Spieler aufzubauen. Nicht immer gelingt das. Emre Mor (2016/2017 beim BVB, heute bei Galatasaray Istanbul unter Vertrag, aber an Olympiakos Piräus verliehen) oder Alexander Isak (2017 bis 2019 beim BVB, heute bei Real Sociedad San Sebastián in Spanien) sind warnende Beispiele. Mit Eigenwächs Moukoko will der BVB behutsam umgehen, schottet ihn auch von den Medien weitgehend ab. Der Hype soll eben nicht zu groß werden. Doch das kann sich im November ändern. Und wenn Moukoko trifft, gar noch an der Seite des Supertalents Erling Haaland, dann dürfte es kein Halten mehr geben.

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