Jeder Meter ist Geschichte

Saarwellingen. Eine Ölmühle, eine Kalkbrennerei, zwei Burgen oder Hochgerichtswald, wo einst der Galgen stand - davon ist heute in Saarwellingen nichts mehr zu sehen. Das erste Kriegerdenkmal Deutschlands. Eine Dynamitfabrik

Saarwellingen. Eine Ölmühle, eine Kalkbrennerei, zwei Burgen oder Hochgerichtswald, wo einst der Galgen stand - davon ist heute in Saarwellingen nichts mehr zu sehen. Das erste Kriegerdenkmal Deutschlands. Eine Dynamitfabrik. Und was hat es mit der Römerstraße, dem John, der Wolfsrath oder dem Lachwald auf sich? Wer Hans Peter Klaucks historischem Wanderführer folgt, entdeckt den Ort Saarwellingen neu. Die vielen Mühlen entlang des Ellbachs bis nach Roden oder auch die historischen Grenzsteine im Wald, Klauck kennt sie alle - und die Geschichten dazu.

Als das heutige Rathaus, bis 1978 Schule, 1715 errichtet wurde, markierte es schon damals die Dorfmitte. Viele der historischen Gebäude sind natürlich zerstört, abgerissen oder eingestürzt. So wie die Synagoge in der Engelstraße, aber da steht noch das Leo-Grünfeld-Haus, die frühere jüdische Schule, benannt nach ihrem letzten Lehrer.

Von der relativ großen jüdischen Gemeinde Saarwellingens, 1855 bestehend aus 200 Mitgliedern, zeugt noch der jüdische Friedhof mit Steinen aus drei Jahrhunderten. Wer als Jude nicht vorher den Ort verlassen hatte, war in der Reichsprogromnacht 1938 erheblichen Ausschreitungen ausgeliefert. Nach dieser Nacht wurden die verbliebenen jüdischen Bürger Saarwellinges, 26 Erwachsene und 14 überwiegend kleine Kinder, im Keller des Rathauses inhaftiert und anschließend fort gebracht. "56 Saarwellinger Juden wurden deportiert und kamen in Konzentrationslagern um", führt Klauck aus. An sie erinnert ein Gedenkstein in der Engelstraße. "Mir ist es ein Anliegen, dass gerade diese Erinnerungen hier im Dorf hochgehalten wird und nicht in Vergessenheit gerät", erklärt der passionierte Heimatforscher.

Hans Peter Klauck ist seit zwölf Jahren Rektor der Grundschule Saarwellingen und seit knapp drei Jahren auch Wahl-Saarwellinger. Und er ist der zweite Vorsitzende des Vereins für Heimatkunde im Landkreis Saarlouis. Dieser wiederum betreibt im Landratsamt das umfangreichste Familienforschungsarchiv des Saarlandes. Über seine alte Heimat Saarlouis hat Klauck zahlreiche Bücher veröffentlicht, außerdem das "Lexikon der saarländischen Orte", das alle ehemaligen Siedlungen, Mühlen, Wege und so weiter enthält. Seine Informationen bezieht der Forscher vor allem aus den Archiven der Gemeinden und Städte, aus der Sekundärliteratur und von rund 800 Vereinskollegen. Im Laufe der 25 Jahre, in denen sich Klauck nun schon seinem Hobby widmet, hat er sich auch selbst ein ordentliches Privatarchiv angelegt: "Man ist halt Jäger und Sammler", schmunzelt er. Sein Büchlein mit fünf Wanderungen zu historischen Orten in und um Saarwellingen, erhältlich für fünf Euro im Rathaus, wurde so gut aufgenommen, dass Klauck sogar schon angedacht hat, Führungen zu machen - wenn es die knappe Freizeit zulässt. "Der Beweggrund, dieses Buch zu schreiben, war vor allem, dass immer mehr junge Kollegen von außerhalb an die Schule kommen und den Ort Saarwellingen nicht kennen", beschreibt der Rektor. Und die Saarwellinger Kinder sollen schließlich den Ort kennen, an dem sie aufwachsen.

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