Bulgarien bietet keinen Schutz

Saarlouis · Die Verwaltungsgerichte im Saarland haben 2016 so viele Fälle verhandelt wie lange nicht. Meist ging es um Asylverfahren. Dabei resultierte der Aufwand teils aus dem Streit zwischen Innen- und Außenministerium.

 Diese Syrer sind 2013 in einem bulgarischen Flüchtlingszentrum gestrandet. Archivfoto: V. Donev/dpa

Diese Syrer sind 2013 in einem bulgarischen Flüchtlingszentrum gestrandet. Archivfoto: V. Donev/dpa

Eine syrische Kurdin und zehn weitere Syrer haben kurz vor Weihnachten 2016 aufatmen können. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Saarlouis stoppte die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnberg verfügte Abschiebung nach Bulgarien. Von dort waren die Kriegsflüchtlinge nach Deutschland gekommen. Da sie jedoch bereits im EU-Land Bulgarien einen Status als Flüchtlinge erhalten hatten, wollte sie das Bamf, eine Behörde des Bundesinnenministeriums, gemäß der EU-Verträge wieder dorthin abschieben.

Die Familie und auch die Geschwister der im Saarland gestrandeten Kurdin leben hier. Trotz des Urteils des Verwaltungsgerichts (VG), das bereits die Abschiebung gestoppt hatte, zog das Bamf weiter vor das OVG, das jetzt den Abschiebungsstopp bestätigte. Das Beharren des Bamf muss die saarländischen Verwaltungsrichter verwundern. Denn im OVG-Beschluss steht klar geschrieben: "Die Betroffenen würden der Obdachlosigkeit preisgegeben und blieben praktisch ohne gesundheitliche Versorgung." Diese Erkenntnis über die menschenunwürdigen Zustände im Erstaufnahmeland Bulgarien stammen demnach vom Außenministerium in Berlin. Eine Abschiebung nach Bulgarien wäre ein Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und die Genfer Flüchtlingskonvention, beides von Deutschland unterschrieben. Warum jedoch das Bamf weiterhin Abschiebungen nach Bulgarien versucht, obwohl im Außenministerium klare Informationen über die schlimme soziale Lage in Bulgarien vorliegen, ist offen. Das Bamf verwies gestern auf SZ-Anfrage auf das Saar-Innenministerium, wenn es um den Vollzug von Abschiebungen gehe. Beim Prozess am 13. Dezember vor dem OVG in Saarlouis erschien der geladene Bamf-Chef Frank-Jürgen Weise nicht und ließ sich entschuldigen.

Wie viele der 2016 eingegangenen 467 Asylsachen vor dem OVG und der 1254 Asylsachen vor dem VG in Saarlouis auf diesem Beharren des Bamf auf Abschiebungen nach Bulgarien beruhen, geht aus der gestern vorgelegten Statistik der Gerichte nicht hervor. OVG-Sprecherin Elke Schwarz-Höftmann sagte der SZ, dass Bulgarien ein problematisches Land sei, da sich dort niemand richtig um die Flüchtlinge kümmere. Bulgarien gehe es selbst nicht gut. Das größte Problem sei es, Wohnungen für die Flüchtlinge zu finden. Denn nur dann bekämen die Flüchtlinge die Meldebescheinung, die Voraussetzung sei für die Aufnahme einer Arbeit oder den Zugang zu Sozialleistungen. Das Bamf müsse daher von Fall zu Fall nachweisen, dass die Flüchtlinge , die abgeschoben werden sollen, eine Unterkunft in Bulgarien bekommen.

Das ist aber im Falle der kurdischen Jesidin nicht geschehen und offenbar in vielen anderen Fällen nicht. So werden die Saar-Verwaltungsgerichte auch in diesem Jahr wieder zig Fälle wie den der Kurdin aus Syrien zu verhandeln haben, wenn das Bundesinnenministerium weiter die menschenrechtlichen Hürden, die gegen die Abschiebungen sprechen, juristisch auszuhebeln versucht. Wer sich dies anschauen will, kann dies am kommenden Dienstag ab 10 Uhr im OVG tun, wenn das Schicksal von fünf weiteren Syrern, die über Bulgarien nach Deutschland kamen, verhandelt wird.

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