Krankenhäuser in Not Warum es kleine Kliniken schwer haben

Saarbrücken/Wadern · Die Krankenhäuser stehen unter Druck – nicht nur im Saarland. Aber hier sind die Strukturen aus Sicht der Krankenkassen besonders ungünstig.

 Blick in einen OP-Saal. Viele Krankenhäuser benötigen inzwischen selbst Hilfe.

Blick in einen OP-Saal. Viele Krankenhäuser benötigen inzwischen selbst Hilfe.

Foto: dpa/Arne Dedert

Von allen Baustellen der Landespolitik ist die Zukunft der Krankenhäuser eine der größten. Derzeit wird im Ressort von Gesundheitsministerin Monika Bachmann (CDU) der neue Krankenhausplan für die Jahre 2018 bis 2025 erarbeitet, Gutachter aus Köln ermitteln dazu den Bedarf an Abteilungen und Betten (derzeit 6800). Der Krankenhausplan ist ein politisch heißes Eisen, weil völlig unterschiedliche Interessen im Spiel sind: Die Krankenkassen wollen effizientere Strukturen, was die Schließung von Stationen oder ganzen Häusern einschließt. Die Klinikträger wollen ihre Standorte auskömmlich finanziert sehen und konkurrieren um Leistungen, die Geld bringen. Und die Kommunalpolitiker und Landtagsabgeordneten wollen „ihre“ Krankenhäuser vor Ort um jeden Preis erhalten.

Nicht nur im Saarland sind viele Krankenhäuser in Not. Bundesweit befanden sich 2015 laut dem Essener Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (vormals RWI) neun Prozent der knapp 2000 Kliniken in „erhöhter Insolvenzgefahr“. Deutlich mehr schreiben rote Zahlen, im Saarland ist es nach Angaben der Saarländischen Krankenhausgesellschaft (SKG) jede zweite Klinik. Aus Sicht der Krankenkassen gibt es im Saarland eine zu hohe Krankenhausdichte, zu viele kleine Standorte und zu viele Doppelstrukturen.

Gerade für die kleineren Häuser werden die Rahmenbedingungen aber immer schwieriger. Mit dieser Erklärung, die von Fachleuten und Politikern nicht bestritten wird, hatte die Marienhaus GmbH im Juni die Schließung ihres hochdefizitären Standorts Wadern begründet. Eine langfristige Bestandsgarantie will das Unternehmen für seine Standorte daher nicht abgeben. „Die Marienhaus-Unternehmensgruppe ist traditionell ein Flächenversorger mit vielen kleineren Krankenhäusern. Dazu stehen wir“, sagte ein Sprecher der SZ. „Wir versuchen aber auch, Politik und Kostenträgern deutlich zu machen, dass die medizinische Versorgung auch in den ländlichen Regionen gesichert werden muss.“

Das Gesundheitsministerium will erreichen, dass es künftig mehr Spezialisierung geben soll. Das Credo: Nicht mehr jedes Krankenhaus soll in Zukunft alles machen. Auch die Träger wollen stärker zusammenarbeiten. „Dieser Verantwortung werden sich die Krankenhausträger im Saarland stellen“, sagt der SKG-Vorsitzende Alfons Vogtel.

Die Frage wird allerdings sein, wie viele der 22 Krankenhäuser es über die nächsten Jahre schaffen werden. Zwar warnt die SPD-Landtagsfraktion, es bringe nichts, Schließungs-Szenarien an die Wand zu malen oder frühzeitig den „schwarzen Peter“ zu verteilen; und auch das Gesundheitsministerium wird im neuen Krankenhausplan von sich aus keine Klinik vom Netz nehmen. Allerdings drohen weitere „ungeordnete Marktaustritte“ von Kliniken, wie es ein Krankenhaus-Manager ausdrückt, sprich: Schließungen allein aus wirtschaftlichen Gründen, ohne Rücksicht darauf, was für die medizinische Versorgung der Bevölkerung in der Region überhaupt notwendig ist. „Krankenhausschließungen vollziehen sich nicht mehr unter dem Gesichtspunkt der Versorgungsnotwendigkeit, sondern ausschließlich unter der Betrachtung wirtschaftlicher Fakten“, sagt SKG-Chef Vogtel.

Vogtel, selbst Geschäftsführer der SHG-Kliniken, schätzt die Wahrscheinlichkeit weiterer Schließungen als „hoch“ ein, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht grundlegend ändern. Wadern sei „sicher nur die Spitze eines Eisberges“; vor allem freigemeinnützige und öffentliche Träger seien unter den derzeitigen Bedingungen zu solchen Schritten gezwungen. Im Saarland sind 21 der 22 Krankenhäuser in freigemeinnütziger oder öffentlicher Trägerschaft, nur die Klinik Berus hat einen privaten Träger. Bundesweit sind 36 Prozent aller Krankenhäuser privat.

Das 2004 eingeführte System der Fallpauschalen hat die Krankenhaus-Finanzierung grundlegend geändert. Die Chefin des Klinikums Saarbrücken auf dem Winterberg, Susann Breßlein, hatte im Frühjahr in einem SZ-Interview die Wirkungsweise dieses Systems erklärt: „Das Geld, das im System ist und von den Krankenkassen an die Krankenhäuser verteilt wird, wird von Jahr zu Jahr weniger. Die Krankenhäuser im Saarland bekommen in diesem Jahr 1,4 Prozent höhere Preise. Aber unsere Kosten für die Gehälter steigen um 2,5 Prozent. Der Gürtel wird also immer enger. Wenn zum Beispiel bei der Saarbahn die Gehälter um 2,5 Prozent steigen, werden die Tickets teurer. Das geht bei uns nicht.“

Dass vor allem die kleinen Häuser mit 100 oder 150 Betten zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen, hat nach Ansicht von Krankenhaus-Chefs vor allem mit den Fixkosten für Personal und medizinisches Großgerät zu tun. Sie fallen bei kleinen Standorten wesentlich stärker ins Gewicht als bei Kliniken mit 300 oder 400 Betten. Zum anderen können kleine Häuser mit ihrer Grundversorgung weniger Geld verdienen als größere Häuser, deren Einzugsbereich größer ist und die mit ihren Spezialisten schwere und schwerste Krankheiten behandeln, die besser vergütet werden.

Hinzu kommt: Aus Sicht der Krankenhausträger wird das Land seiner gesetzlichen Verpflichtung nicht ausreichend gerecht, die Investitionen der Kliniken in medizinische Großgeräte und Gebäude zu fördern. Um dringend notwendige Investitionen zahlen zu können, wird das Geld von der Vergütung für die Behandlungen, also der Fallpauschale, abgezwackt. Immerhin will das Land die jährlichen Zuschüsse von derzeit 28,5 Millionen Euro pro Jahr bis zum Jahr 2022 um zehn Millionen Euro erhöhen. Belastbare Daten, wie hoch der Investitionsbedarf tatsächlich ist, gibt es derzeit nicht. Die Träger, die von bis zu 80 Millionen Euro pro Jahr sprechen, sehen ein, dass das Land dies allein nicht schultern kann. Sie hoffen, dass der Bund in die Krankenhausfinanzierung einsteigt.

Auch wenn die Politik kein Krankenhaus schließt, so könnten politische Entscheidungen doch mittelbare Auswirkungen haben. In Zukunft wird es zum Beispiel strikte Qualitätsvorgaben für Kliniken geben. Werden sie nicht eingehalten, drohen finanzielle Abschläge. Eine Gefahr für die Existenz von Kliniken? „Die Träger werden entscheiden müssen, ob sie ihre Standorte unter den neuen Bedingungen wirtschaftlich betreiben können“, hatte Staatssekretär Stephan Kolling (CDU) gesagt, als das entsprechende Bundesgesetz Ende des Jahres 2015 beschlossen war.

Unter Verwaltungsdirektoren und Geschäftsführern wird bereits diskutiert, welches Krankenhaus als nächstes schließen muss. Genannt werden stets kleinere Standorte mit 100 bis 200 Betten. Im Nordsaarland ist die Sorge groß, dass die Marienhaus GmbH nach Wadern (69 Betten) auch ihren Standort Losheim (103 Betten) schließen könnte, der mit Wadern bisher ein gemeinsames Klinikum bildet. Zwar betont das Unternehmen, dass Losheim mit den Abteilungen Konservative Orthopädie und Innere Medizin erhalten bleiben solle; schließlich sei die Konservative Orthopädie „eines unserer Leuchtturmprojekte in der Trägerschaft“. Misstrauischen Zeitgenossen ist allerdings nicht entgangen, warum der selbe Träger im September das Krankenhaus im hessischen Flörsheim schließen wird: Weil die Kassen die Leistungen in der Konservativen (also nicht-operativen) Orthopädie in den ambulanten Bereich verlagern wollten, gehe dem Haus „finanziell allmählich die Puste aus“.

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