Windkraft Viel Wind am Weltkulturerbe

Völklingen/Püttlingen · Was darf man bauen im Umfeld der Alten Hütte in Völklingen? Ein Blick auf die hitzige Debatte um den geplanten Windpark Bous. 

 Der neue Windpark Schwalbach hat für die Anwohner der Köllerbacher Sommerbergstraße den Fenster-Ausblick völlig umgekrempelt: Die gut 200 Meter hohen Windräder zerschneiden den zuvor offenen Horizont. 

Der neue Windpark Schwalbach hat für die Anwohner der Köllerbacher Sommerbergstraße den Fenster-Ausblick völlig umgekrempelt: Die gut 200 Meter hohen Windräder zerschneiden den zuvor offenen Horizont. 

Foto: BeckerBredel

Bauen im Umfeld eines Unesco-Weltkulturerbes ist heikel. Die Kölner haben es zu spüren bekommen. Sie wollten in direkter Nachbarschaft des Doms  Hochhäuser hochziehen. Die Unesco protestierte: Zur Kathedrale gehöre, dass sie als Solitär hoch über der Stadt throne; die Hochhäuser seien fatal für „die visuelle Integrität des Doms und seine stadtprägende Wirkung“. Die Stadt blieb hochhausverliebt. Was die Unesco nicht hinnahm: Sie setzte den Dom auf die Rote Liste der gefährdeten Welterbestätten. Die umfasst sonst nur Orte, in denen Naturkatastrophen oder Kriege toben; der Dom war das erste Unesco-Denkmal weltweit, dem Gefahr durch Baumaßnahmen drohte. Die Kölner lenkten ein, keine Hochhäuser. Und die Unesco strich das historische Gotteshaus wieder aus der Warnliste.

Die Dresdner hatten noch heftigeren Stress mit der Unesco. Kaum war das Elbtal Welterbe geworden, verlor es diesen Status wieder. Denn die Sachsen bauten die Wald­schlösschenbrücke, die die einzigartige Flusslandschaft unsensibel zerschneidet. Peinlich: Außer Stätten im Oman war nie zuvor ein Denkmal aus der Erbe-Liste geflogen.

Im Mittelrheintal – und damit sind wir beim Windkraft-Thema – tobt seit Jahren Streit um Windräder auf den Hügeln am Rheinufer. Gelockt von künftigem Profit, schmiedeten Gemeinden und Privatleute Wind-Pläne. Experten untersuchten die Sichtbeziehungen zu den 65 Kilometer langen Flussufern, die unter Unesco-Schutz stehen. Ihr Ergebnis: Windparks würden die Landschaft so stark technisch überformen, dass sie ihren singulären Charakter verlöre – Welterbe-Status in Gefahr. Bislang sind die konfliktträchtigen Vorhaben in der Schublade geblieben.

So schlugen denn die saarländischen Denkmalschützer Alarm, als die Firma DunoAir 2016 eine Genehmigung beantragte für drei Windräder im Wald auf Bouser Bann. Die Hügel im Dreieck Völklingen/Püttlingen/Bous, sagten sie, gehören zum „Wirkraum“ des Weltkulturerbes Völklinger Hütte. Der Windpark dürfe keinesfalls das Bild der Alten Hütte stören. Die zuständige Behörde schrieb den Wind-Projektierern daher eine „auflösende Bedingung“ in die Genehmigung: Der Windpark darf nur  mit Zustimmung der Unesco gebaut werden. Bleibt die aus, erlischt die Genehmigung. Und bis zum Unesco-Votum sollte nichts gebaut werden.

Warten – ärgerlich für die Projektierer: Für sie tickt die Uhr, sie müssen die Windräder bis Jahresende am Netz haben, um noch die hohen Strom-Einspeisevergütungen nach altem Recht zu bekommen. Warten – die Anlieger, die sich gegen die Wind-Pläne wehren, waren darüber froh. Denn bei der europäischen Unesco-Kommission in Paris, notorisch überlastet, dauern Entscheidungen in der Regel lange. Vielleicht, so die Hoffnung, so lange, dass die Wind-Firma die Frist nicht schafft und das Projekt wegen Unwirtschaftlichkeit aufgibt?

Diese Hoffnung hat sich als vergeblich erwiesen: DunoAir durfte jüngst mit dem Bau beginnen. Warum, obwohl das Unesco-Votum noch fehlt? Auf SZ-Nachfrage hat das Umweltministerium den Hintergrund erklärt. DunoAir, so die Auskunft, hatte die Firma Arcontor Projekt GmbH  beauftragt, ein Gutachten zu erstellen über den optischen Effekt der Windräder auf die Alte Hütte. Die Expertise ging ans Landesdenkmalamt und von dort nach Paris. Die Unesco gab sie weiter an Icomos, ihre Berater-Organisation in Denkmalfragen, und bat um Stellungnahme. Die fiel positiv aus fürs Wind-Projekt: keine Störung fürs Bild der Alten Hütte, „denkmalfachlich unbedenklich“. Daraufhin hob das Umweltministerium das Bau-Verbot auf, das bislang bestand. DunoAir durfte vor drei Wochen bereits anfangen, auch wenn das endgültige Unesco-Votum noch nicht da ist.

Doch ob der Bau letztlich rechtens ist, hängt weiterhin von der Welterbe-Kommission ab: Sollte sie am Ende doch Haare in der Suppe finden und Nein sagen,  bleibt es dabei, dass die Genehmigung für den Windpark erlischt. DunoAir baue bis dahin auf eigenes Risiko, betonen Sprecher des Ministeriums. Und fürs Weltkulturerbe Völklinger Hütte sei so auf jeden Fall gesichert, dass sein prominenter Status nie in Frage stehe.

 Baustelle des Windparks Bous – ein Windrad-Fundament nahe am Püttlinger Mathildenschacht ist aus der Luft schon zu erkennen.

Baustelle des Windparks Bous – ein Windrad-Fundament nahe am Püttlinger Mathildenschacht ist aus der Luft schon zu erkennen.

Foto: BeckerBredel

Für die Anlieger kein rechter Trost. Sie kämpfen aus vielerlei Gründen gegen den Bouser Windpark. Sie  fürchten den Lärm der  Windräder, rund um die Uhr; eine neue Methode („Interimsverfahren“) zu dessen Berechnung und Messung anzuwenden, fordern sie in zahlreichen Eingaben, über die noch nicht entschieden ist. Sie fürchten Wertminderungen für ihre  Häuser in Windrad-Nähe. Die größten Sorgen haben die Anwohner am Ma­thildenschacht, denen der Windpark bis auf 400 Meter an die Wände rückt  – die Mindestabstände, 650 Meter in Bous, 800 Meter im Regionalverband, gelten nur für geschlossene Bebauung, nicht für ihre Einzelhäuser. Sie haben Klage eingereicht gegen das Windpark-Projekt, ebenso auch die etwa 1000 Meter von den Windrädern entfernte Püttlinger Knappschaftsklinik.

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