Beckingen Sie reden, wenn anderen Worte fehlen

Beckingen · Die Zahl kirchlicher Bestattungen geht im Saarland wie im Bund zurück. Weil immer mehr Menschen kirchenfern sind. Oft finden dann freie Trauerredner letzte Worte über den Toten.

 Stefanie Kiefer aus Beckingen ist freie Trauerrednerin. Da immer mehr Menschen eine Beerdigung ohne geistlichen Beistand wünschen, sind ihre Dienste gefragt. Ihr ist wichtig, individuell auf den Verstorbenen einzugehen.

Stefanie Kiefer aus Beckingen ist freie Trauerrednerin. Da immer mehr Menschen eine Beerdigung ohne geistlichen Beistand wünschen, sind ihre Dienste gefragt. Ihr ist wichtig, individuell auf den Verstorbenen einzugehen.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Sie wird gerufen in Momenten tiefster Trauer. Zum Mann, der seine Frau nach einer langer Brustkrebserkrankung verabschieden muss. Oder zu einem Paar, dessen Baby nach einer Frühgeburt starb. Stefanie Kiefer spricht mit den Angehörigen über die Toten. Intensiv. Sie versucht möglichst viel zu erfahren, zu greifen – denn sie hält die letzte Rede. Über den Gestorbenen und sein Leben. Die 37-Jährige aus Beckingen ist Trauerrednerin und gestaltet weltliche Bestattungen, wie sie bundesweit zunehmend nachgefragt werden. „Ich denke, es ist die persönlichere Art der Beerdigung“, sagt Kiefer über die nicht-religiösen Abschiedsfeiern. Darauf komme es vielen Menschen an. Der Verstorbene steht dabei im Mittelpunkt. Wie er so war, was er mochte, was er erlebt hat, spricht Kiefer an. Viele der Menschen, die sie in Anspruch nehmen, seien kirchenfern. Und sie wollten mitbestimmen, wie Abschied genommen werde – und nicht der Kirche „ausgeliefert sein“.

Die Nachfrage nach Trauerrednern wachse immer stärker, sagt der Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerfeier, Uwe Cayler, in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt). Im einst sozialistischen Osten Deutschlands seien auch aufgrund der historischen Entwicklung rund 80 Prozent der Beerdigungen weltliche Feiern. Im Norden Deutschlands trete auch bereits bei ungefähr sechs oder sieben von zehn Abschieden ein Trauerredner auf. Im Westen der Republik, schätzt er, liege der Anteil bei 50 Prozent und im katholisch geprägten Bayern sei es umgedreht: Da seien acht von zehn Beerdigungen immer noch kirchlich.

„Wir stellen fest, dass bundesweit der Anspruch wächst, individuell von der Welt gehen zu dürfen“, sagt Cayler. „Es soll ein Abschied sein, der gerecht wird – und er muss passen.“ Dazu gehöre neben einer persönlichen Rede auch Musik, wenn das gewünscht werde. „Ich habe schon mal für einen jungen Menschen, der AC/DC-Fan war, ,Highway to Hell’ gespielt.“ Eine Trauerfeier sei jedes Mal eine Premiere. „Und wir haben nur eine Chance. Wir können ja nicht sagen, ,Oh, das war komplett schief, das machen wir morgen nochmal’“.

Trauerrednerin Kiefer, die seit vier Jahren durchs Saarland bis nach Trier und in die rheinland-pfälzische Eifel unterwegs ist, sagt: „Es könnte einem doch im Grunde kaum etwas Schlimmeres passieren als eine miese Trauerfeier.“ Sie gebe ihren Text vorher den Angehörigen zum Gegenlesen: „Damit auch wirklich das drin steht, was sie wollen.“ Sie lasse auch Platz für Individuelles bei der Feier: Musik, die zu dem Verstorbenen passe. Oder rege auf Wunsch beim Bestatter an, dass Kleinigkeiten mit ins Grab gegeben werden.

Die Zahl der katholischen Bestattungen ist in den vergangenen Jahren rückläufig. 2017 gab es nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz rund 244 000, ein gutes Viertel aller Sterbefälle in Deutschland. 1990 standen noch etwa 300 000 katholische Bestattungen in der Statistik. Evangelische Bestattungen waren es im Jahr 2016 knapp 272 000. Bei weltlichen Trauerfeiern übernimmt der Trauerredner viel von der Funktion des Geistlichen.

Uwe Cayler von der Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerfeier, die rund 90 Mitglieder zählt, berichtet auch von Fällen, „die einem in die Seele gebrannt bleiben“. Nach einem Brand in einem Obdachlosenheim Ende 2005 in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) habe er eine Trauerfeier für alle neun Opfer gehalten. Und nach einem Zugunglück habe er eine ganze Familie verabschieden müssen, erzählt der Sozialpädagoge: „Zwei große Särge, zwei kleine Särge. Das ist sowas, wo man lange braucht, um wieder Luft zu kriegen.“

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