Schulden, Schulden, Schulden Neue Hoffnung für arme Kommunen

Saarbrücken/Berlin · In Berlin wird hinter den Kulissen über einen Entschuldungsfonds diskutiert. Angeblich gibt es konkrete Absprachen.

 Die Stadt Saarbrücken ist dringend auf eine Entschuldung angewiesen. 2017 fehlen im Haushalt 31 Millionen Euro. Allerdings gibt sie 36 Millionen Euro für Zinsen aus. Ohne Zinsausgaben schriebe die Stadt schwarze Zahlen.

Die Stadt Saarbrücken ist dringend auf eine Entschuldung angewiesen. 2017 fehlen im Haushalt 31 Millionen Euro. Allerdings gibt sie 36 Millionen Euro für Zinsen aus. Ohne Zinsausgaben schriebe die Stadt schwarze Zahlen.

Foto: Oliver Dietze

Wenn Klaus Bouillon im Landtag ans Mikrofon tritt, halten die eigenen Leute manchmal kurz den Atem an. Der Innenminister von der CDU sagt schon mal sehr überraschende Dinge. Kürzlich fragte ihn der Linken-Abgeordnete Jochen Flackus, wie die Saar-Regierung die Kommunen aus ihrer desaströsen Lage zu befreien gedenke. Bouillon antwortete, auch zum Erstaunen der eigenen Leute: „Die Landesregierung geht davon aus, dass es uns gelingt, einen Altlastenfonds zu erreichen.“ Er sei da „absolut optimistisch“.

Wie bitte? Seit Jahren scheint ein solcher Altlastenfonds für die Kommunen unerreichbar. Es habe bereits Gespräche mit Peter Altmaier und Wolfang Schäuble darüber gegeben, „dass der Bund nach der Bundestagswahl eine Altlastensanierungsprogramm auflegt“, so Bouillon. Mit Schäubles Staatssekretär Wolfgang Gatzer sei er übereingekommen, „dass wir unmittelbar nach der Bundestagswahl die Dinge angehen“. In Hinterzimmern werden seit Monaten Gespräche geführt, doch nicht alle sind glücklich über Bouillons Offenheit bei diesem sensiblen Thema. Es gibt auch unterschiedliche Angaben dazu, wie verbindlich das alles bisher war.

Bouillon geht das Thema offensiv an: Ohne Sonderfonds des Bundes könnten es die saarländischen Kommunen nicht schaffen, sagt er – und rückte damit ganz nebenbei von der bisherigen Regierungslinie ab. Die besagt nämlich, dass die Kommunen ab dem Jahr 2024 ohne neue Schulden auskommen können, wenn sie nur genug sparen, Steuern und Gebühren erhöhen und auch Hilfe des Landes bekommen. Von einem Bundesfonds war da bislang keine Rede.

Bouillons (neue) Linie ist auch die Linie der Bürgermeister. „Wir werden ohne Unterstützung des Bundes keine Lösung für unsere Altschuldenproblematik finden, das ist mittlerweile in weiten Kreisen anerkannt“, sagte die Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD). „Daher freut es mich, dass Innenminister Bouillon unser ‚Bündnis für die Würde unserer Städte‘ unterstützt und davon ausgeht, dass ein Altlastenfonds für hoch verschuldete Kommunen kommen wird.“ In dem Bündnis haben sich bundesweit 69 hochverschuldete Städte zusammengeschlossen. Ohne die Zinsausgaben für die aufgelaufenen Schulden hätte Saarbrücken, man höre und staune, längst einen Haushaltsüberschuss.

Die im Grundgesetz verankerte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland müsse in allen Kommunen wieder hergestellt und dauerhaft gesichert werden, so Britz. „Es darf keine ‚Zwei-Klassen-Gesellschaft‘ von armen und reichen Städten geben.“ Die Fraktionen im Bundestag hätten dem Bündnis inzwischen zugesagt, eine Kommission einzusetzen. „Das ist ein großer Schritt“, so Britz.

Auch führende Wissenschaftler, darunter der Kaiserslauterer Ökonom und Gutachter der Saar-Kommunalfinanzen, Martin Junkernheinrich, haben sich den Forderungen nach einer Entlastung der Kommunen angeschlossen. Junkernheinrich trug in Berlin vor, wie dramatisch sich die Zinsausgaben entwickeln, wenn nicht gehandelt wird. „Eine tickende Zeitbombe“ sei das, sagte Junkernheinrich der SZ. „Ich denke schon, dass man das Thema angehen muss. Aber das ist alles noch kein Selbstläufer. Da müssen noch intensive Gespräche geführt werden.“

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund geht davon aus, dass das Thema „als eines der ersten nach der Bundestagswahl auf die politische Tagesordnung kommen wird“, wie ein Sprecher sagt.

Im Landtag fragten sich die Abgeordneten, woher Bouillons Optimismus rührt. Die Chancen auf einen Altlastenfonds seien gestiegen, weil es in NRW einen Regierungswechsel gegeben habe, sagte Bouillon. Sprich: Bei der Sanierung der Ruhrgebietsstädte muss die neue CDU-geführte Landesregierung in Düsseldorf jetzt Erfolge vorweisen können. Es reicht nicht mehr, nur auf die Sozis zu schimpfen. Das Bewusstsein in der Bundesregierung, die nach den bisherigen Umfragen auch künftig von der CDU geführt werden wird, sei dadurch ein anderes geworden, so Bouillon. „Man soll die Dinge beim Namen nennen. Es ist einfach so.“ Als Verbündete sieht Bouillon neben NRW auch Rheinland-Pfalz und Hessen. Diese Länder und das Saarland bilden das Krisen-Quartett der Kommunalfinanzen (siehe Grafik), während das Problem in den Süd- und einigen Ostländern unbekannt ist. Sie dürften daher dagegen sein, dass der Bund mit Steuergeldern aus ganz Deutschland den Kommunen in diesen vier Ländern hilft.

 Professor Martin Junkernheinrich wirbt in Berlin für eine Entlastung der Kommunen.

Professor Martin Junkernheinrich wirbt in Berlin für eine Entlastung der Kommunen.

Foto: BeckerBredel/WIB

Den nächsten Schritt erhofft sich Charlotte Britz am 9. November, gar einen „Durchbruch“ für das immer drängender werdende Problem will sie dann. An diesem Tag treffen sich die Oberbürgermeister des Aktionsbündnisses „Für die Würde unserer Städte“ erneut – diesmal in Saarbrücken.

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