Frauentag Was Frauen sich wirklich wünschen

Saarbrücken · Am offiziellen Programm zum Weltfrauentag am 8. März gab es einige Kritik. Die SZ hat Frauen gefragt, was sie sich wünschen.

 Kommt bald die Ampelfrau? Das könnte auch Teil der Gleichberechtigung sein.

Kommt bald die Ampelfrau? Das könnte auch Teil der Gleichberechtigung sein.

Foto: dpa/Jaðrg Carstensen

Heike Mißler ist Anglistin und Koordinatorin des Zertifikates „Gender Studies“ an der Universität des Saarlandes. In ihrer Rolle als Genderforscherin wird sie auch beim Polit-Talk „Gleichberechtigung...noch Luft nach oben!“ vertreten sein. Dennoch steht sie dem Weltfrauentag kritisch gegenüber, findet das Konzept fast schon „absurd“. Warum? „Weil an einem Tag nicht all das geändert werden kann, was die letzten 500 Jahre versäumt wurde“. Da bräuchte es schon ein Weltfrauenjahrzehnt. Oder ein Weltfrauenjahrhundert. Dann hätte man auch genügend Zeit, den verschiedenen Lebensrealitäten von Frauen Tribut zu zollen. Denn: Frau ist nicht gleich Frau. Oder könnte dem Thema Abtreibung einen eigenen Tag widmen. Ein Punkt, dem es auch heute noch an einem gesunden, öffentlichen Diskurs fehlt.

Josephine Symonds, Studentin der Hochschule der Bildenden Künste in Saarbrücken, wünscht sich, „dass Berufe endlich frei von Geschlechterrollen gemacht werden“. In Deutschland, wie in vielen anderen Ländern, werden Berufe immer noch als extrem geschlechterspezifisch verstanden und bestimmten Stereotypen zugeschrieben. Versuche, diese Geschlechterrollen im Arbeitsmarkt aufzubrechen, gibt es. Aktionen wie der „Girls‘ Day“ sollen speziell Mädchen und Frauen motivieren, technische und naturwissenschaftliche Berufe zu ergreifen. Aber: „Meiner Meinung nach wird so nur betont, dass Frauen in diesen Berufen die Ausnahme sind und es sich schlichtweg um Männerberufe handelt“, erklärt Symonds. Stattdessen sollten Berufe generell frei von Geschlechterrollen gemacht werden. „Ich wünsche mir ein gesellschaftliches Verständnis dafür, dass jeder Mensch unabhängig von Geschlecht oder Herkunft jeden Beruf ausüben können sollte, ohne als Regel bestätigende Ausnahme zu gelten“, sagt sie weiter.

Der Mensch denkt gerne in Kategorien: schwarz und weiß, links und rechts, gut und böse. Geht es um die Frage nach dem eigenen Ich, denkt der Mensch schnell in der Kategorie Mann und Frau. Sinah Müller, Yoga-Lehrerin und Entspannungs-Trainerin, träumt vom Gegenteil. „Ich wünsche mir, dass wir mehr in anderen Kategorien denken. Nicht weiblich, nicht männlich. Diese Kategorien sind doch nur Modelle, ein verzweifelter Versuch, mit Sprache etwas Ungreifbares greifbar zu machen.“ Gängige Geschlechterrollen sind allgegenwärtig. Die Frau: liebevoll, sanftmütig, emotional. Der Mann: stark, kontrolliert, zielstrebig. Doch auch das sind soziale Konstrukte, im Männlichen ist ebenso das Weibliche, wie im Weiblichen das Männliche ist. „Der Schwachsinn ist, dass wir so an den Geschlechterkategorien hängen bleiben“, sagt Müller. Die Frage „Wer bin ich eigentlich?“ ohne Einbezug des Geschlechtes zu beantworten, scheint schwer. Was fehlt: Ein lebendiger Dialog um die Identitätsfrage, ohne über stupide Mann-Frau-Klischees zu reden.

Viele, gerade auch junge Frauen, wünschen sich mehr Unterstützung als alleinerziehende, arbeitende Mütter – denn oft bleibt nach einer Trennung die Kindererziehung an der Frau hängen. Bei einer Info-Börse mit Diskussionen und Seminaren könnten Experten und Firmen Tipps zum Wiedereinstieg in den Beruf beziehungsweise zur besseren Vereinbarkeit von Kind und Job liefern. Idealerweise wird diese Veranstaltung mit einer qualifizierten Kinderbetreuung verbunden, damit die Frauen auch alles nutzen und erleben können. Vielleicht kann solch eine Info-Börse als Initialzündung für eine weitere Bündelung dieses Themenschwerpunktes oder weitere Initiativen der Stadt beziehungsweise des Landes in der Sache dienen. „Body Positivity“ ist eine Bewegung, die sich der positiven Einstellung dem eigenen Körper gegenüber verschrieben hat. Das Motto: Jeder Körper ist schön. Frauen werden seit jeher auf das Körperliche reduziert. Als in weiten Teilen noch immer unterdrückte Gesellschaftsklasse unterliegen sie zudem in viel höherem Maße den Repressalien vom „perfekten Aussehen“. Als Schönheitsideal gilt noch immer: schlank, sexy, makellos. Wer davon abweicht, gilt als hässlich, dem wird möglicherweise das Frau-Sein gleich ganz abgesprochen. „Dieses Vorzeige-Aussehen haben viele nicht, werden deshalb nicht wahrgenommen oder sogar schlecht behandelt“, erzählt die junge Saarbrückerin Svenja Knies. Mit einem Workshop zu diesem Thema könnten alle Interessierten der Idee nähergebracht werden, dass Schönheit auch außerhalb der bestehenden Normen existiert.

Am Wochenende feiern gehen, das gehört für viele junge Leute einfach dazu. Sicher fühlen sich viele junge Frauen dabei nicht. Sexuelle Übergriffe oder zumindest ein ungutes Gefühl scheinen an der Tagesordnung zu sein. „Ich wünsche mir, im Club nicht mehr angegrapscht zu werden und generell mehr Respekt“, erzählt eine von ihnen. Doch wie lässt sich für eine sichere Atmosphäre für Frauen im Nachtleben sorgen? Wie können Clubbetreiber aktiv eingreifen und Hilfe anbieten? Braucht das Sicherheitspersonal spezielle Schulungen? Würde es sich lohnen, spezielle Frauen-Taxis einzuführen? Wie können die betroffenen Frauen selbst reagieren? Und ab wann kann die Polizei eingreifen? Eine solche Diskussionsrunde würde Raum für einen Ideenaustausch zwischen allen Beteiligten bieten und somit auch die Möglichkeit, die Realität von Frauen im Nachtleben nachhaltig zu verbessern.

2018 steht neben den 100 Jahren Frauenwahlrecht noch ein weiteres Jubiläum an, nämlich 60 Jahre erstes Gleichberechtigungsgesetz. Aber haben wir wirklich (schon) Grund zum Feiern? „Auf dem Papier gibt es diese Gleichheit, allerdings merkt man in der Praxis davon oft nichts“, findet Ella Holz, eine junge Psychologin. Viele Menschen sind sich der Benachteiligung von Frauen allerdings gar nicht bewusst, sind mit dem Ist-Zustand gar zufrieden. Dabei findet sich die Ungleichberechtigung in den verschiedensten Sphären des Lebens, im Kleinen, und im Großen: Sei es das immer noch existierende Lohngefälle zwischen Mann und Frau, oder das gängige „Gender-Pricing“, also, dass bestimmte Produkte oder Dienstleistungen teurer gemacht werden, wenn sie für Frauen gedacht sind. „Im 21. Jahrhundert gibt es noch immer keine Gleichberechtigung, als Frau muss ich noch immer für Positionen kämpfen, für die ein Mann viel weniger machen muss“, erzählt Sarah Klankert, Studentin der Kulturwissenschaften. Mit einer Kundgebung, möglicherweise mit offenem Rednerpult, könnte bewusst die öffentliche Aufmerksamkeit auf die noch immer bestehenden Ungleichgewichte zwischen Mann und Frau gelenkt werden.

Mögliche Gesprächspartner: Entscheider der Wirtschaft, Frauenbeauftragte, Politiker verschiedener Parteien, „normale“ berufstätige Frauen, weibliche Führungskräfte. Macht, das scheint auch heute noch ein durchweg männliches Konzept zu sein. Seien es die vorwiegend männlich besetzten Führungspositionen oder die Vormachtsstellung der Männer in Gesellschaft. Doch „die Welt braucht Frauen an der Macht, das ist überlebenswichtig“ – da sind sich viele Frauen einig. Wie lassen sich also die bestehenden Machtverhältnisse im Sinne eines feministischen Machtverständnisses verändern? Ist Macht etwa „die Gewalt, die jemand aufgrund seiner Position hat, so dass er über andere bestimmen kann“? Also das, was Männer seit Tausenden von Jahren tun? Oder ist Macht, „die Möglichkeit oder Fähigkeit, dass jemand etwas bewirken oder beeinflussen kann“? Eine Definition, die weitaus vereinbarer mit feministischen Ansätzen ist. Eine Diskussion zum Thema Macht muss daher Bestandteil des öffentlichen Diskurses über Gleichberechtigung sein.

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