Abrisse in Völklingen „Eine Frage der Familienehre“

Völklingen · Rundum ist schon alles abgerissen: Warum Hans-Werner Westermann an seinem Elternhaus festhält.

 Standhaft: Hans-Werner Westermann vor seinem Elternhaus in der Karl-Janssen-Straße Nr. 4., dem so genannten Weißen Haus.

Standhaft: Hans-Werner Westermann vor seinem Elternhaus in der Karl-Janssen-Straße Nr. 4., dem so genannten Weißen Haus.

Foto: BeckerBredel

Das Haus entstand zur Gründerzeit der Stadt Ende des 19. Jahrhunderts. Mehr als 130 Jahre lang beherbergte es ein Uhren- und Juweliergeschäft. Es überstand Kriege und eine Reihe verlockender Kaufangebote – unter anderem bereits in den 1960er Jahren von der Familie Ostrolenk. Doch es ist nun umzingelt von Abrissbaggern. An der Front steht noch in großen Lettern der Name „Albert Ehrhardt“. So hieß Hans-Werner Westermanns Großvater. Und es ist sein Elternhaus, das der pensionierte Richter (Jahrgang 1944) hartnäckig verteidigt.

Die Rede ist vom so genannten Weißen Haus, dem Gebäude Karl-Janssen-Straße Nr. 4. Mittlerweile steht es allein, rundum ist alles freigelegt, in der Abrisslandschaft rund um den Ex-Kaufhof. Juwelier Wulf Scheffel, letzter Nutzer, war Anfang März angesichts drohender neuer Unbilden an die City-Promenade umgezogen. Denn schon beim Abriss des Kaufhof-Querflügels im Jahr 2008  hatte es, wie Westermann berichtet, Steine aufs Dach und in die Fenster gehagelt. Da verhält sich die Abrissfirma, die jetzt tätig ist, laut Westermann  ganz anders: „Die gibt sich große Mühe, nett zu sein.“ So wurde ein Dach mit einer Plane gesichert und die Umfriedungsmauer des Hinterhofes nicht angetastet, obwohl sie teilweise auf städtischem Gelände steht.

Das Haus ist aktuellen städtischen Planungen im Wege. Und Oberbürgermeister Klaus Lorig (CDU) bemüht sich bereits seit längerem darum, es zu kaufen. Wobei der gutachterlich festgestellte Verkehrswert nur noch etwas über 50 000 Euro liegt.  Und hieran scheiden sich die Geister. „Ich will nicht zu den Konditionen verkaufen, die die Stadt bietet“, betont Westermann. Obwohl Lorig bereits das Wort „Enteignung“ in den Mund genommen hat. Als Jurist reagiert der Eigentümer darauf ganz gelassen: „Es ist fraglich, ob ich ein Geschäftshaus enteignen kann, um einem anderen Geschäftshaus die Existenz zu ermöglichen“, sagt Westermann. Ein entsprechendes Verfahren werde bereits in erster Instanz vier bis sechs Jahre dauern, und die nächste Instanz werde sicher nicht kürzer. „Wenn ich das mit 85 noch erlebe, wäre das auch recht“, fügt er mit einem Schmunzeln hinzu.

Westermann verfügt über eine solide finanzielle Grundlage und ist ansonsten sozial und ehrenamtlich aktiv (unter anderem als Vorsitzender des Fördervereins des Altenheimes St. Josef). Warum beharrt er nun auf diesem Haus?  „Es ist eine Frage der Familienehre“, sagt hier ein Mann mit vier Kindern und zehn Enkelkindern, der offenbar sehr viel auf Familie hält. Dies zeigt sich auch an seiner launig formulierten E-Mal-Adresse. Diese weist ihn als Patriarchen eines ganzen Familienclans aus. Und wenn die Stadt sich auf ihn zubewegt? „Dann befrage ich meine Ahnen“, fügt Westermann schmunzelnd hinzu. Und er werde gegebenenfalls umdenken, „wenn meine Ahnen mir erklären würden, ich wär’ ein Idiot, wenn ich nicht verkaufen würde“.

„Es wäre wirklich schade um das Haus“, sagt Schwiegertochter Antje Westermann, die die Besucher von der SZ bereitwillig durch alle Räume führt. Im Dachgeschoss finden sich noch viele Erinnerungstücke, darunter schöne alte Möbel, teilweise vollgepackt mit Fotos. Für Abrisswillige dürfte besonders interessant und auch schwierig sein, dass unter Haus und Hof auch noch ein Luftschutzbunker liegt.   Stark renovierungsbedürftig, aber noch renovierungsfähig ergibt sich als Gesamteindruck. In den 80er Jahren sei bereits einmal die Straßenfront der oberen Karl-Janssen-Straße einschließlich Nr. 4 unter Denkmalschutz gestellt gewesen, berichtet Hans-Werner Westermann. Dieser Denkmalschutz sei dann im Hinblick auf die Neuplanung mit dem City-Center entfallen – ein Projekt, das dann bekanntlich doch nicht realisiert wurde.

 Die Abrissfirma nimmt Rücksicht: Der Bagger hat an der Umfriedungsmauer des Hinterhofes des Hauses Nr. 4 gestoppt.

Die Abrissfirma nimmt Rücksicht: Der Bagger hat an der Umfriedungsmauer des Hinterhofes des Hauses Nr. 4 gestoppt.

Foto: BeckerBredel

 Was geschieht, wenn es nicht doch noch zu einer Einigung mit der Stadt kommt? „Wenn rundum wieder Ruhe eingekehrt ist, werden wir das Haus weiter nutzen“, sagt Westermann. Wie? Und was könnte eine Renovierung kosten? „Das überlegen wir uns, wenn es so weit ist“, sagt der Eigentümer. „Ich rede nicht gerne über ungelegte Eier.“

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