„Deutsche Männer sind auch Machos”

Völklingen · Gleiche Rechte für Mann und Frau? Zum Weltfrauentag gab es gestern beim Völklinger Kulturverein Violen hitzige Diskussionen.

Sie schwebt auf einem rosa Luftballon. Doch er platzt innerhalb weniger Sekunden. Die Marionette zittert. Kurz darauf überreichen ihr zwei Frauen zum Trost zwei Luftballons. Die kleine großäugige Gestalt bedankt sich mit Umarmung und Kuss. Das Publikum applaudiert. Von den mehr als 60 Frauen im Saal haben einige Tränen in den Augen.

Das Spiel des türkischen Marionettenkünstlers Hakan Arisoy unterbricht für einige Minuten alle Gespräche im Frauen- und Kulturverein Violen. Denn an diesem Mittwochvormittag geht es um mehr als um gefüllte Weintrauben, Hummus und Falafel.

Wie schutzbedürftig sind Frauen? Und wie gleichberechtigt? "Wenn ein Mann sein krankes Kind zu Hause betreut, dann ist er der Held. Wenn das eine Frau tut, ist das selbstverständlich", sagt die Völklinger Gleichstellungsbeauftragte Roswitha Spaniol.

Frauen zu bestärken, ist ihrer Ansicht nach auch heute noch bitter nötig: "Ungleichheit haben wir vor allem in der Bezahlung und in der Wertschätzung der typischen Frauenberufe." Über ungleiche Gehälter regen sich an diesem Vormittag auch weitere Frauen auf. Wie die Sozialwissenschaftsstudentin Sabrina Ferling: "Wir Frauen müssen uns oft entscheiden, ob wir Mutter oder Karrierefrau sein wollen." Dass viele ihrer Geschlechtsgenossinnen ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie Beruf und Familie vereinbaren wollen, liegt ihrer Meinung nach auch an den Botschaften früherer Generationen. "Meine Oma hat Sätze gesagt wie ‚Wenn du ruppig bist, wirst du keinen Mann finden'." Also haben Frauen den Bedürfnissen der Männer zu dienen. Was in Deutschland dem Grundgesetz widerspricht, gibt es in Gesellschaften wie der türkischen immer noch. Das ärgert Sennur Agirbasli. Die Türkin lebt seit 18 Jahren in Deutschland und sagt: "In Anatolien sind in vielen Familien die Männer wichtiger. Das hat sich zwar mit den Jahren gebessert. Doch seit Erdogan gibt es einen Rückschritt." Über Rückschrittlichkeit empört sich auch Döndü Diwo. Die 51-jährige Deutschtürkin wuchs in einer streng muslimischen Familie auf und brach ein Tabu: Sie heiratete einen deutschen Mann. "Hier kann ich tun und lassen, was ich will. In der Türkei würde ich mich gar nicht trauen, so ein Leben zu führen", sagt sie. Doch auch hierzulande findet sie die Lage der Frauen nicht optimal: "Deutsche Männer sind auch Machos." Ist man hierzulande also nur scheinbar weiter als im Orient? Darüber entsteht gegen Ende der Veranstaltung eine kontroverse Diskussion. Immer mehr Frauen, hauptsächlich aus Syrien, gesellen sich dazu. Gleichberechtigung in Syrien? Und ob, sagt Samia. Die Mutter von vier Kindern hat in ihrem Heimatland 19 Jahre lang als Bauingenieurin gearbeitet. "Viele syrische Frauen haben einen Hochschulabschluss und gehen arbeiten. Zu Hause haben sie die Macht. Seit Ausbruch des Krieges werden sie im Haushalt verstärkt von ihren Männern unterstützt", sagt sie.

Ihre Freundin Maisun, die ebenfalls ein Kopftuch trägt, nickt. Dass Frauen ihre Haare bedecken, weil sie unterdrückt werden, sei nur ein Vorurteil. "Es ist eine freie Willensentscheidung." Genauso frei fühlt sich Hasna, die aus Überzeugung kein Kopftuch trägt. Sie sei trotzdem Teil der Gruppe. "Das ist kein Thema zwischen uns", sagt Samia und bekräftigt: "Das Kopftuch verdeckt den Kopf und nicht das Hirn." Auch Samia räumt ein, dass es auch Männer gibt, die ihren Frauen das Kopftuch aufzwingen.

Die Partnerschaften in Syrien findet sie jedoch insgesamt stabiler, weil man sich nicht so schnell scheiden lasse wie hierzulande. "Ehe um jeden Preis? Was ist, wenn dein Mann dich betrügt?", wirft Rania, eine weitere junge Frau aus Syrien, ein. Die geschiedene Mutter zweier Kinder will das Bild von der stabileren Ehe in arabischen Ländern nicht gelten lassen und sagt: "Eine geschiedene Frau ist in Syrien eine gebrochene Frau." In einem sind sich die Frauen am Ende einig: Gleichberechtigung ist keine Selbstverständlichkeit. Mancherorts ist sie gar so fragil wie ein Luftballon.

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