Zwei Drittel der Betriebe bedroht Leute bestellen Schnitzel statt Cordon bleu – und nur noch ein Bier statt drei: Saar-Gastronomen schlagen Alarm

Saarbrücken · Erst Corona, jetzt noch Inflation und hohe Energiepreise: Inzwischen bangen zwei von drei Gastronomie-Betrieben um ihre Existenz. Bekannte Gastronomen aus dem Saarland zeigen mit anschaulichen Beispielen, warum die Lage akut ist.

 „Wir merken schon, dass die Leute sparen: Anstatt Cordon bleu wird jetzt nur Schnitzel bestellt, weil es fünf Euro günstiger ist“, berichtet Saarlands Dehoga-Präsident Michael Buchna.

„Wir merken schon, dass die Leute sparen: Anstatt Cordon bleu wird jetzt nur Schnitzel bestellt, weil es fünf Euro günstiger ist“, berichtet Saarlands Dehoga-Präsident Michael Buchna.

Foto: Getty Images/iStockphoto/Angelika Heine

Die von der Bratwurstbude über viele Essrestaurants und Bierkneipen bis zur Nobelherberge reichende Gastronomie steckt derzeit auch im Saarland in der wohl schwersten Krise der Nachkriegszeit: Seit Ausbruch der Corona-Pandemie, die zeitweise im Lockdown zu ganzen Schließungen führte, hat sich laut Gastronomieverband Dehoga die Zahl der Betriebe bereits um 460 auf knapp 4000 verringert – und die Zahl der Beschäftigten hat sich von früher einmal fast 10 000 auf inzwischen 7000 reduziert. Wegen der allgemeinen Inflation, der schwerwiegenden Energiekrise und neuen vielleicht drohenden Corona-Beschränkungen schlägt der Dehoga-Landesverband Saar nun Alarm: Weil bis zu ein Drittel weniger Gäste in die Lokale kommen und zudem noch sparen, bangen laut einer aktuellen Dehoga-Umfrage – ebenso wie im Bund – zwei von drei Betrieben um ihre Existenz.

„Anstatt Cordon bleu wird jetzt nur Schnitzel bestellt, weil es fünf Euro günstiger ist“

„Wo Gäste früher drei Weizenbier getrunken haben, trinken sie jetzt nur noch eins“, beklagt Dehoga-Vorstandsmitglied Michael Schley, der begünstigt durch das schöne Sommerwetter mit seinem beliebten Biergarten-Lokal „Wilde Ente“ in Saarbrücken-Güdingen noch relativ gut durch die Krise gekommen ist. Und Dehoga-Präsident Michael Buchna vom idyllischen Landhotel Saarschleife in Orscholz ergänzt: „Wir merken schon, dass die Leute sparen: Anstatt Cordon bleu wird jetzt nur Schnitzel bestellt, weil es fünf Euro günstiger ist.“

Gleichzeitig, so Buchna, haben sich die Preise der Gastronomen für die Beschaffung von Lebensmitteln und Energie in den letzten Monaten fast verdoppelt. So seien Preissteigerungen in der Gastronomie für Speisen und Getränke auch in Zukunft wohl unvermeidlich, wenn auch laut Dehoga-Umfrage nur in jedem zehnten Betrieb voll umsetzbar. Dehoga-Geschäftsführer Frank Christoph Hohrath: „Es wäre aber Selbstmord jetzt zu sagen: Ich senke die Preise.“

 Michael Buchna, Dehoga-Präsident im Saarland

Michael Buchna, Dehoga-Präsident im Saarland

Foto: Robby Lorenz

Höhere Preise erwartet

„Wir müssen als Gastgewerbe da aber dennoch ganz vorsichtig sein. Wenn wir zu teuer werden, laufen uns die Gäste weg“, mahnt Buchna. Doch er rechnet auch betriebswirtschaftlich: „Im nächsten Jahr planen wir in unserem Betrieb mit acht bis zehn Prozent mehr Kosten und 20 Prozent mehr für Energie.“

Damit diese Kosten, die zumindest zu einem Teil auch auf die Gäste umgelegt werden müssten („sonst können manche gleich ganz zumachen“), nicht noch weiter ausufern, fordert Buchna von den verantwortlichen Politikern in Bund und Land eine Strom- und Gaspreisdeckelung, die Nutzung aller Energiequellen und den Verzicht auf die Maskenpflicht bei wieder drohenden Corona-Beschränkungen. „Wir haben Maskenpflicht bei den Beschäftigten. Bei den Gästen setzen wir auf Freiwilligkeit“, betont der Dehoga-Landeschef. Und bei der Energie müsse man daran denken: Sieben von zehn Gastronomen kochen mit Gas – wenn das ausfällt, bleibt die Küche kalt.

Tagungs- und Kongressgeschäft in Saarbrücken zusammengebrochen

Klartext spricht auch Jan Willem Fluit, Geschäftsführer der finetime GmbH in Saarbrücken, der die Gastronomie im Staatstheater in Saarbrücken, dem Flughafen in Ensheim und dem Spaß- und Freizeitbad Blau in St. Ingbert versorgt: „Auf dem Flughafen und im Bad ist es dieses Jahr noch einigermaßen gelaufen, ganz schlimm ist es wegen weniger Gästen in Theater und Kinos.“ Auch ziemlich zusammengebrochen ist laut Dehoga das Tagungs- und Kongressgeschäft in Saarbrücken.

Und die Konzepte der Gastro-Branche selbst zur Bewältigung der Krise und für die Zukunft ? „Das Wichtigste ist, die Qualität zu sichern“, sagt Buchna. „Dazu gehört manchmal auch die Struktur im Betrieb zu ändern – und im nächsten Jahr planen wir zusammen mit der Veranstaltungswirtschaft eine neue Imagekampagne für das Gastgewerbe.“ Schließlich ist auch der Fachkräftemangel in der Branche nicht nur in der „Wilden Ente“ in Saarbrücken ("uns fehlen vier Fachkräfte") nach wie vor ein drängendes Thema. Und so hat in Saarbrückens Haupteinkaufs- und Fußgängerstraße Bahnhofstraße ein Restaurant schon seit längerem ein Schild aufgestellt: „Seien Sie freundlich zu unserem Personal, denn es ist schwerer zu finden als Gäste.“ Und ansonsten heißt es in der Branche angesichts gestiegener Ansprüche der Gäste und hoher Preissensibilität: „Mehr Wohlfühlatmosphäre schaffen – und Regional schlägt Bio.“

Na denn, am Rande noch dies: Das „Flying Buffet“ zum Dehoga-Landesverbandstag im Saarrondo in Saarbrücken gab es am Montag auch nicht umsonst, sondern es kostete die Gäste laut Einladungsflyer „30 Euro pro Person – ohne Getränke“.

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