Über die Autobahn in den Wald

Saarbrücken · Die Globalisierung trägt auch unerwünschte blinde Passagiere in unsere Region. So lauern in Palettenholz oder auf Lkw-Planen Schädlinge, die den Wald zumindest im Kleinen stören. Neue Plage bei uns: die Spätblühende Traubenkirsche.

 Ein Borkenkäfer. Archivfoto: dpa

Ein Borkenkäfer. Archivfoto: dpa

Die Spätblühende Traubenkirsche (prunus serotina) - das hört sich nach gesundem, süßem Saft an, ist aber eine mit Vorsicht zu genießende Pflanze mit giftigem Samen. Der aus Nordamerika stammende Eindringling hat es sogar als unerwünschter Gast in den aktuellen Waldzustandsbericht des Saarlandes geschafft.

Eben weil er sich in unseren Wäldern sehr stark ausbreitet und mechanisch gar nicht in Schach zu halten ist. Er behindert das Wachstum von Bäumen und ist Wirtspflanze für eine Blattlausart. Experten haben herausgefunden, dass die Spätblühende Traubenkirsche durch Vogelsaat zunächst in lichtere Kiefern- und Lärchenwälder eindringt, und zwar über die Autobahnen auch in den Großräumen Saarbrücken und St. Ingbert. Hier wurde sie häufig zur Hangbegrünung gepflanzt, offenbar ohne zu bedenken, dass sie dem Wald schaden könnte.

2014 wurde im Raum Saarbrücken erstmals auch ein flächiges Auftreten des Krummzähnigen Tannenborkenkäfers (Ips curvidens) beobachtet, und zwar auf drei Flächen von je einem Hektar. Möglicherweise vor der Tür steht die bislang nur vereinzelt beobachtete Erlenhalswurzelfäule (Phytophthora alni).

Die den meisten Menschen geläufige Borkenkäferart Buchdrucker (Ips typographus) hatte 2010 nach dem Sturmtief Xynthia in den saarländischen Wäldern fast 13 000 Festmeter Fichte schädigen können, 2014 sank der Anteil des sogenannten Käferholzes wieder auf unspektakuläre 4600 Festmeter. Der heiße Sommer 2015 lässt aber befürchten, dass der Borkenkäfer wieder viel mehr Nahrung findet. Vor der Ausrottung in unseren Wäldern (und an den Straßen) steht die Esche, ein hitzeverträglicher Baum, dem man eine gute Rolle im Mischwaldbestand zugetraut hatte. Er wird allerdings von einem ostasiatischen Pilz namens Falsches Weißes Stengelbecherchen (Hymenoscyphus pseudoalbidus) regelrecht verzehrt. Nach Deutschland schaffte er es vermutlich als "blinder Passagier" in Verpackungsholz.

Kummer bereitet auch die Rußige Douglasienschütte (Phaeocryptopus gaeumannii), eine Pilzerkrankung, die zu Nadelverlust und Zuwachseinbußen führt - bislang keine Erholung in Sicht, heißt es im Bericht. Da immer wieder Baumarten durch steigende Temperaturen, Verschmutzungen oder Einwanderungen missliebiger Arten gefährdet werden, versuchen Förster und Waldbesitzer, den Wald durch Artenreichtum vielfältiger und damit stabil zu halten. Die Idee: Je mehr Arten, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Lebensraum Wald nicht aus dem Gleichgewicht kommt. Der Wald im Großraum Saarbrücken mit seinem hohen Laubholzanteil gilt unter Fachleuten als - im wahren Wortsinn - besonders gut aufgestellt.

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