So wird Cendrillon zu Aschenputtel

Saarbrücken. Uli Menke macht es möglich, dass auch Menschen ohne Fremdsprachenkenntnisse französische Theaterinszenierungen verstehen. Seit 14 Jahren verfasst der freischaffende Übersetzer und Dramaturg für das Festival Perspectives die deutschen Übertitel, die bei den Aufführungen oben, auf einer Projektionsleiste, eingeblendet werden

Saarbrücken. Uli Menke macht es möglich, dass auch Menschen ohne Fremdsprachenkenntnisse französische Theaterinszenierungen verstehen. Seit 14 Jahren verfasst der freischaffende Übersetzer und Dramaturg für das Festival Perspectives die deutschen Übertitel, die bei den Aufführungen oben, auf einer Projektionsleiste, eingeblendet werden. Wie kommt man auf die Idee, sich beruflich als "Übertiteler" zu spezialisieren? Ein wenig hat der Zufall dabei mitgespielt, erfährt man von dem 43-jährigen gebürtigen Westfalen, der heute im westlichsten Zipfel Frankreichs, der bretonischen Hafenstadt Brest, wohnt. So lange gebe es Übertitelungen im Theater ja noch gar nicht. Seit wann genau? Da muss auch Menke passen."Mein erstes französisches Theaterstück in Hamburg, Shakespeares ,Der Sturm' von Peter Brook, habe ich noch ohne Übertitelung gesehen", erinnert er sich. "Und ich weiß, dass Regisseure wie Brook, Chéreau und Mnouchkine, die weit gereist sind, sich vor 20 Jahren noch heftig dagegen gewehrt haben. Sie meinten, das Publikum ist so intelligent, dass es zumindest bekannten Stücken in der Fremdsprache folgen könne". Menke selbst hat Ende der 1990er-Jahre seine ersten Übertitelungen gemacht. Nach dem Studium der Literaturwissenschaft in Berlin und Paris assistierte er in der legendären Berliner Baracke bei Thomas Ostermeier. Der wurde mit "Mann ist Mann" nach Paris eingeladen, der Übersetzer wollte nicht mit, Menke sprang ein und lernte so erst mal, die Technik zu bedienen. "Gefahren" werden die Titel an einem Laptop bei jeder Aufführung per Hand. Denn wenn der Schauspieler schneller spricht, Textzeilen überspringt oder improvisiert, muss der Übertiteler reagieren können, damit das Publikum den Anschluss nicht verliert. So etwas komme gar nicht so selten vor.

Da Ostermeier, bald darauf Schaubühnen-Intendant, in Frankreich gern gesehener Gast war und das Berliner Institut Français für Deutschland-Tourneen französischer Gruppen Übertitelungen brauchte, hatte Menke schnell viel zu tun. Ein Ostermeier-Gastspiel führte Menke ins Forbacher Le Carreau, und dadurch ergab sich das Engagement für die Perspectives.

Menke übersetzt sowohl vom Französischen ins Deutsche als auch in die Gegenrichtung. "Wobei es oft schon übersetzte Texte sind, die ich dann für die Übertitelung adaptiere", erklärt er. Übertitel müssen kürzer, kompakter sein, denn der Zuschauer soll ja genug Freiraum haben, das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen. "Ich arbeite immer mit zwei Zeilen à maximal 35 Zeichen und versuche in vier Zeilen einen abgeschlossenen Gedanken zu haben", erläutert Menke sein Prinzip. Die erste Rohfassung der Dialoge redigiert er dann, indem er sich mehrmals einen Videomitschnitt der jeweiligen Inszenierung ansieht. "Um den Rhythmus hinzubekommen und die Texte richtig zu platzieren."

Um die 100 Übertitelungen hat Menke schon gemacht, auch viele französische Theaterstücke ins Deutsche übertragen. "Zu merken, dass das Publikum dank der Übersetzung direkt am Stück dran ist, verschafft einem eine große Befriedigung", sagt er über seinen "Traumberuf". Außerdem habe man es dabei mit sehr guten literarischen Texten zu tun.

Bei den Perspectives 2012 übertitelt Menke "Jérusalem plomb durci", "Par le Boudu" und Jean Pommerats "Cendrillon". "Auf Pommerat" fügt er noch hinzu, "freue ich mich ganz besonders."

 Uli Menke lebt in Brest und reist als Übertiteler mit der Schaubühne durch die Welt. foto: menke

Uli Menke lebt in Brest und reist als Übertiteler mit der Schaubühne durch die Welt. foto: menke

festival-perspectives.de

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