Saarbrücker hilft auf besondere Art Wünsche von Schwerkranken erfüllen

Saarbrücken · Jürgen Müller ist Projektleiter beim Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB). 150 Helfer unterstützen ihn ehrenamtlich.

  Jürgen Müller vom Arbeiter-Samariter-Bund steht neben dem Wünschewagen.

Jürgen Müller vom Arbeiter-Samariter-Bund steht neben dem Wünschewagen.

Foto: Iris Maria Maurer

Noch einmal den Kölner Dom sehen, noch einmal den 1. FC Saarbrücken im Stadion anfeuern, ein letztes Mal am Lieblingsweiher angeln, einmal noch zum Konzert von Helene Fischer. Schwerstkranken Menschen in ihrer letzten Lebensphase einen besonderen Wunsch zu erfüllen – das ist die Aufgabe des sogenannten Wünschewagens. Im Saarland startete das Angebot des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) im Februar 2018. „Bisher konnten wir 106 Wünsche erfüllen“, sagt Projektleiter Jürgen Müller.

Finanziert werden die Touren zu 100 Prozent über Spenden. Für den Fahrgast und einen Angehörigen ist das Angebot kostenlos. Vielen Kranken fehlt das Geld, um sich ihren Traum selbst zu erfüllen. Etwa weil die Ehefrau den Beruf aufgeben musste, um ihren Mann zu pflegen. Die Fahrgäste sind im Schnitt etwa 55 Jahre alt, erläutert Müller. Bis zu ihrer Erkrankung standen sie mitten im Leben.

Meist sind es Palliativpatienten, die an Krebs leiden und bald sterben. Deshalb müssen die Wünsche schnell erfüllt werden. Nach dem ersten Kontakt per Mail oder Telefon besucht Müller den Kranken. Er informiert sich über den Gesundheitszustand und die Begebenheiten vor Ort. Kommen wir mit einer Trage überall hin? Anschließend stellt er ein Betreuerteam zusammen. Die 150 saarländischen Wunscherfüller haben alle eine medizinische Ausbildung. Sie engagieren sich ehrenamtlich, Müller ist der einzige hauptamtliche Mitarbeiter.

Der 120 000 Euro teure Wünschewagen wurde komplett von Sponsoren finanziert. „Er ist ausgestattet wie ein Rettungswagen“, erklärt der 58-Jährige. Der Krankentransporter, der auch während der Corona-Pandemie fährt, steht beim ASB-Landesverband in Brebach.

Nicht alle Wünsche können erfüllt werden. Die Regeln sind klar: Das Ziel muss an einem Tag erreichbar sein, es gibt maximal eine Übernachtung. Außerdem steht das Team jedem Fahrgast nur einmal zur Verfügung. Wer mehrere Wünsche hat, muss sich entscheiden.

„Wir bekommen immer Unterstützung“, versichert Jürgen Müller. Auch Künstler und Sportler helfen gerne bei der Wunscherfüllung. „Klar könnt ihr kommen. Kein Problem, kriegen wir irgendwie hin“, sagen sie. Bei einem Konzert der Toten Hosen durfte der Fahrgast sogar hinter die Bühne. Die Musiker begrüßten ihn vor dem Auftritt persönlich.

„Routine gibt es nicht, jeder Wunsch ist individuell“, sagt Jürgen Müller. Wenn sich ein Wunsch nicht eins zu eins erfüllen lässt, wirft er die Flinte nicht ins Korn. Der ASB-Mitarbeiter erzählt von einer jungen Frau, die zu Füßen eines Leuchtturms auf Rügen heiraten wollte. Doch plötzlich kam die niederschmetternde Diagnose, ein inoperabler Hirntumor machte die Reise unmöglich. Also wurde improvisiert: Der Losheimer Stausee lieferte die Strandkulisse. Ein Schausteller besorgte einen aufblasbaren Leuchtturm, die Gemeinde stellte den Standesbeamten.

Wenn die Kranken strahlen, sind die Wunscherfüller glücklich. „Das ist der Lohn“, sagt Jürgen Müller. Aber es gibt auch traurige Momente. Am Ende der Tour steht ein Abschied für immer.

„Man muss einen gesunden Abstand wahren“, weiß der gelernte Rettungsassistent: „Sonst stirbt man mit jedem mit.“

Nicht immer führt die letzte Reise in die Ferne oder zu außergewöhnlichen Zielen. Ein Hospizbewohner wollte gerne noch einmal nach Hause. Der Wünschewagen holte ihn ab. Daheim im großen Garten gab es Kaffee und Kuchen, die ganze Familie war da. Der Fahrgast verabschiedete sich mit den Worten: „Es war ein unglaublich schöner Tag, genauso wie ich ihn mir gewünscht und vorgestellt habe. Jetzt kann ich in Frieden gehen, und ich freue mich darauf.“

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