Recherche-Workshop Immobilien-Spekulanten, Kirchen, Staat und Bürger – „Wem gehört Saarbrücken?“

Saarbrücken · Leerstehende Läden und verwaiste ältere Wohnhäuser, immer mehr steigende Mieten und fehlende neue Wohngrundstücke: Wer ist schuld an der Misere und „Wem gehört Saarbrücken?“. Darum ging es in einem Recherche-Workshop.

Immobilien-Spekulanten, Kirchen, Staat und Bürger – „Wem gehört Saarbrücken?“​
Foto: BeckerBredel

Bei einem gut besuchten Recherche-Workshop der Rosa Luxemburg Stiftung/Peter Imandt Gesellschaft zu dieser Thematik gab es am Freitagabend viele Fragen von Bürgern zu „Immobilienhaien“, russischen und anderen Oligarchen, aber auch zu Politikern und Mehrfach-Hausbesitzern wie Ex-Linkenchef Oskar Lafontaine oder auch den durch Hakenkreuz-Verkauf ins Kreuzfeuer geratenen Antiquitätenhändler und früheren AfD-Landtagsabgeordneten Rudolf Müller.

„Wer wissen will, was der Lafontaine-Familie, Immobilienmakler Raber oder Rudolf Müller gehört, dem kann ich nicht weiterhelfen. Das sind Privatpersonen, die Datenschutz genießen. Unsere Daten beschränken sich auf juristische Personen", betonte Christoph Trautvetter, Projektleiter der vor vier Jahren von Erfurt bis München in mehreren Kommunen gestarteten Untersuchungen "Wem gehört die Stadt ?" Jetzt kommt die Saar-Metropole dran, samt Anleitung für Bürger zu Recherchen vom Grundbuchamt über Immobilienscout bis zum Transparenzregister. Erstes Fazit: In Saarbrücken und dem Saarland sind weiterhin mehr als die Hälfte der Bürger private Wohnungsbesitzer. Probleme mit Vermietern gebe es natürlich auch hier, aber insgesamt weniger als anderswo. Gemessen an der Wohnungs-Eigentümerstruktur sei das Saarland so Paris näher als Berlin. Fast halb Berlin gehöre einigen tausend Multimillionären.

 Projektleiter Christoph Trautvetter

Projektleiter Christoph Trautvetter

Foto: Udo Lorenz

In Saarbrücken und und dem Saarland sehe es da schon etwas anders aus, so Trautvetter. Doch stellten die vom Wohnungslosen über eine Pfarrerin bis zum Rotenbühl-Bewohner ("Mir gehören 772 Quadratmeter von Saarbrücken mit einem Bodenrichtwert von 490 Euro pro Quadratmeter") reichenden Teilnehmer des Saarbrücker Bürgerrecherche-Workshops drängende Fragen nach den Eigentumsverhältnissen von Immobilienbesitzern: "Wer kauft Grundstücke und Häuser in Saarbrücken ? Werden auch sie zu Objekten, in denen mit Immobilien viel Geld gemacht wird ?" Zu den Immobilienbesitzern, so hieß es, zählten natürlich auch Kirchen und die je nach Ort zehn bis 30 Prozent öffentlichen, genossenschaftlichen und gemeinnützigen Wohnungseigentümer. 2021 zeigte beispielsweise eine Recherche des SR mit Correctiv, dass kommunale Wohnungen nach mehreren Eigentümerwechseln mit einem saftigen Gewinn von acht Millionen Euro an Investmentfirmen in Frankfurt und Luxemburg verkauft wurden.

Ziel des Projekts "Wem gehört die Stadt ?", so sei Leiter, sei es, auch in Saarbrücken große bislang anonyme und unbekannt gebliebene Immobilieneigentümer zu erkennen, die beispielsweise nur Briefkasten-Firmen unterhielten oder Geldwäsche betrieben. Zudem gehe es aber auch um mehr Verteilungsgerechtigkeit, betonte Trautvetter, der auch als wissenschaftlicher Referent beim Netzwerk Steuergerechtigkeit arbeitet. Drei Viertel des Vermögens in Deutschland beträfen Immobilien, erklärte er: "Der Trend, dass wir in großen Städten zu mehr als 20 Prozent Multimillionäre im Immobilienmarkt haben, hält an".

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