Merzig Selbst- und Patientenschutz immer im Blick

Mitglied des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte: Professor aus Wuhan berichtete über äußerst geringe Infektionsrate.

Auch während der Pandemie behandeln Zahnärzte ihre Patienten.

Auch während der Pandemie behandeln Zahnärzte ihre Patienten.

Foto: dpa/Markus Scholz

Warum wird die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus bei einer Behandlung beim Zahnarzt als gering eingeschätzt?

TASCHER Weil Zahnärzte und deren Personal im Rahmen der für sie geltenden Hygienerichtlinien die konsequente Nutzung von Mund-Nase-Schutz, Hygienekleidung, Handschuhe und Schutzbrille beim Selbst- und Patientenschutz auch schon vor der Covid-19-Pandemie praktiziert haben. Wie effektiv das ist, zeigen die Erfahrungen aus Wuhan (China).

Zahnärzte und ihr medizinisches Personal arbeiten ganz dicht am Patienten. Wie schützen sie sich vor einer Ansteckung?

TASCHER Hierzu die Ausführungen der Bundeszahnärztekammer: Für die zahnärztliche Behandlung von Patienten, für die kein dringender Verdacht besteht, mit Sars-CoV-2 infiziert zu sein, gilt, dass Schutzbrillen oder Visiere und Mund-Nasen-Schutz (MNS) eine Barrierefunktion gegen die Infektionsübertragung der Viren durch Tröpfchen bieten können. Dies zeigen auch die Erfahrungen aus Wuhan (China), dem ersten Ausbruchsgebiet der Covid-19-Erkrankung. Wichtig ist, dass diese Schutzmittel wie auch Handschuhe und gegebenenfalls Schutzkittel über die gesamte Behandlungszeit getragen werden. Nur durch deren ordnungsgemäßen Sitz und die Einhaltung der Griffdisziplin bleibt die Barrierefunktion der Schutzkleidung gewährleistet. Für eine Übertragung durch Aerosole gibt es keine Evidenz. Aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes sollte dennoch die Entstehung und Verbreitung von Aerosolen vermieden werden. Dies sollte zuallererst durch eine effiziente, hochvolumige Absaugung (vierhändiges Arbeiten) geschehen.

Werden alle Behandlungen angeboten?

TASCHER Die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Behandlung trifft die Zahnärztin oder der Zahnarzt, abhängig vom individuellen Risiko und der Komplikationsdichte des Eingriffs im konkreten Patientenfall. Das betrifft nicht nur Notfallbehandlungen, sondern kann einen Eingriff umfassen, der die Beschwerden des Patienten kurz-, mittel- oder langfristig lindert oder die Verschlimmerung der bestehenden Erkrankung vermeidet. Bei Patienten mit hohen Risiken sollte die Behandlung in beidseitigem Interesse nur auf Notfallbehandlung beschränkt werden.

Besteht die Gefahr, dass man sich mit dem Virus anstecken kann, wenn man die gleiche Luft atmet wie ein Infizierter?

TASCHER Nach den Erfahrungen in Wuhan scheint das eher nicht der Fall zu sein. Andere verlässliche wissenschaftliche Studien gibt es allerdings nicht zu diesem Thema. Die Gefahr sich anzustecken, hängt sicherlich auch vom „Infektionsdruck“, das heißt von der Menge des infektiösen Materials, das auf die Behandler auftrifft, ab – also vom Abstand zu dem infizierten Patienten und vom Schweregrad seiner Erkrankung sowie von den Schutzmaßnahmen.

Das Personal in den Praxen sorgt dafür, dass in den Wartezimmern zwischen den Patienten genügend Abstand herrscht, so dass eine Ansteckungsgefahr sehr gering ist. Aber wie schützen sich Zahnärzte und ihr medizinisches Personal vor einem Patienten, der mit Corona infiziert ist, es aber nicht weiß und keine Symptome zeigt?

TASCHER Zahnärzte und deren Personal arbeiten schon immer in einem Gefahrenbereich. Wir können uns ja auch nicht sicher sein, dass zum Beispiel jeder HIV- oder Hepatitis-C-Patient seine Infektion offenbart. Dennoch arbeiten wir normal und grenzen keinen Patienten von der zahnärztlichen Behandlung aus. Durch entsprechende Hygienemaßnahmen kann erfahrungsgemäß die Ansteckungsgefahr sehr gering gehalten werden.

Können europäische Zahnärzte (und Ärzte) von den Erfahrungen profitieren, die Ihre Kollegen im chinesischen Wuhan gemacht haben?

TASCHER Am 25. März stellte der Dekan der Zahnklinik der Universität Wuhan, Professor Zhuan Bian, die chinesischen Erfahrungen mit der Covid-19-Pandemie live vor in einem Webinar, das von der deutschen zahnärztlichen Wissenschaft veranstaltet wurde. Professor Bian berichtete sowohl vom chronologischen Verlauf der Pandemie und der zahnärztlichen Versorgung während dieser Zeit als auch von erschreckend hohen Erkrankungszahlen des medizinischen Personals in einem Gebiet mit einer sehr hohen Infektionsrate der Bevölkerung. Er berichtete aber auch von der äußerst geringen Infektionsrate im zahnärztlichen Bereich, die er mit der konsequenten Nutzung von Mund-Nase-Schutz, Hygienekleidung, Handschuhen und Schutzbrille beim Selbst- und Patientenschutz in diesem Bereich auch schon vor der Covid-19-Pandemie begründete. Im ärztlichen Bereich fehlte wie in Deutschland die konsequente Nutzung dieser Hygienemaßnahmen. Die Einschätzungen von Professor Bian zum einfachen Mundschutz wurden bereits vor Corona in einer großen Influenza-Studie in den USA und einer Sars-Studie in Kanada bestätigt. Kritisch zu sehen ist in diesem Zusammenhang, dass hierzulande in der Tat zu wenig Schutzausrüstung bereitgestellt werden konnte und kann.

Gibt es Hilfe für die niedergelassenen freien Zahnärzte von der Politik?

TASCHER In Deutschland geht es bei der Unterstützung und Hilfe um mehr als 70 000 praktizierende Zahnärzte und deren 386 000 Mitarbeiter, die trotz Corona-Pandemie und den bekannten Engpässen auch weiterhin ihre Patienten behandeln und die zahnärztliche Versorgung in Deutschland aufrechterhalten. Es muss kein Patient Angst haben, dass er nicht zahnärztlich behandelt wird. Die freiberuflich tätigen Zahnärzte bekommen bei Praxisausfällen oder -schließungen zurzeit von der Politik die gleiche wirtschaftliche Unterstützung wie andere Kleinbetriebe (zum Beispiel mit Kurzarbeitergeld und Weiterem) und sie fallen ganz aktuell auch unter den „Rettungsschirm“ für Gesundheitsberufe. Bei der Hilfe geht es aber auch um eine bisher fehlende, umgehende, systematische Einbindung der Zahnärzte in ein zentrales Gesamtkonzept der Versorgung mit Schutz-, Hygiene- und Desinfektionsmittel, einschließlich FFP2-Masken und um bisher fehlende klare Signale der Politik in der Frage der Systemrelevanz des Zahnarztberufs und Einbeziehung von Zahnärzten als freiwillige Helfer während der Corona-Pandemie. Im chinesischen Wuhan wurde dieses Konzept schon erfolgreich praktiziert.

 Dr. Gisela Tascher

Dr. Gisela Tascher

Foto: Dr. Gisela Tascher

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, was würden Sie von der Politik wünschen?

TASCHER Ein Wunsch wäre, dass es bei der gerechten Verteilung von Gesundheitsleistungen keine Benachteiligung von Älteren, Schwachen und Behinderten geben wird. Ein weiterer Wunsch ist, dass bei der nächsten Pandemie die bereits seit 2012 von einer Risikoanalyse zur „Pandemie durch Virus Modi-Sars“ informierte Arbeitsgruppe Infektionsschutz (AGI) der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) besser vorbereitet ist. Abschließend ein allgemeiner Wunsch, dass wir alle gesund bleiben.

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