Geisternächte im neuen Jahr

Saarpfalz-Kreis · Die Tage zwischen Weihnachten und dem 6. Januar, die so genannten Raunächte, waren auch in unserer Region mit vielen abergläubischen Bräuchen verbunden. In den kalten Nächten sahen die Menschen Geister und Dämonen und versuchten sich als Wahrsager.

Grimmige Geistererscheinungen, Arbeitsverbote und merkwürdige Orakel. Viele Mythen und Bräuche ranken sich um die Raunächte, die dunklen Winternächte zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag am 6. Januar. Auch in unserer Region übte sich vor allem die abergläubische Landbevölkerung teilweise noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts in heute seltsam anmutenden Riten. "Für die Menschen waren die Raunächte eine geisterhafte Zeit, die auch mit Ängsten verbunden war", erklärt der Volkskundler Gunter Altenkirch aus Rubenheim, der sich seit Jahrzehnten mit dem saarländischen Aberglauben beschäftigt.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein unterließen es viele Menschen in der Saarpfalz zwischen Weihnachten und dem Dreikönigsfest, mit runden Gegenständen oder Werkzeugen zu arbeiten. "Für die Menschen sah es damals so aus, als komme die Sonne um diese Zeit zum Stillstand", sagt Altenkirch. Daher sollte auch alles, was ein Rad - ein Sonnensymbol - hatte oder rund war, um diese Zeit stillstehen. Konkret bedeutete dies: Frauen durften nicht am Spinnrad spinnen oder waschen (die Wäsche wurde noch in einem runden Waschzuber geschlagen), Männer durften Wagen oder Pflug nicht nutzen.

Eine Frau aus Bexbach, die Altenkirch 1973 interviewte, berichtet aus den Erzählungen ihrer Großmutter: "Wenn man trotzdem gesponnen hat, kam die Ald Spinnfraa und hat am Abend von außen ein Fenster geöffnet und dann leere Spindeln in die Küche geworfen, die man dann vollspinnen musste. Sonst wurde sie böse." Die "Ald Spinnfraa" - das saarländische Pendant zu Frau Holle - ist eine der vielen geisterhaften Gestalten, die in den Raunächten die Häuser der Menschen besuchten. Oft wurde die Gestalt auch ganz real gespielt. "Eine alte Frau verkleidete sich dann und besuchte die Spinnstuben, wo immer viele Frauen zusammensaßen", sagt Altenkirch. "Im schummrigen Licht hat die verkleidete Ald Spinnfraa dann die Spinnerinnen entweder böse angeschaut oder ihnen zugelächelt. Je nachdem, wie fleißig sie das Jahr über waren."

Eine andere Gestalt der Raunächte war die "Haber geiß", ein Dämon in Ziegengestalt, der genutzt wurde, um Kinder nach Hause zu scheuchen. Noch in den 1940er Jahren bauten junge Männer in der Saarpfalz Figuren aus Sägeböcken und Säcken und zogen mit diesen durch die Dämmerung, um Kinder zu erschrecken.

Verbreitet waren in unserer Region auch Orakelbräuche, mit denen man das Wetter des beginnenden Jahres voraussagen wollte. Populär war das "Zwiebelorakel". Dazu wurde eine Zwiebel in der Mitte halbiert, und die einzelnen Schichten wurden Monaten zugeordnet. Dann wurde die Zwiebel mit Salz bestreut, das das Wasser aus dem Gemüse zog. Anhand der ausgezogenen Wassermenge glaubte man dann, auf die Regenfälle in den Monaten schließen zu können.

"Auch gab es ein Orakel, bei dem ledige junge Frauen einen Apfel so schälten, dass die gesamte Schale eine Art zusammenhängende Schnur bildete", erzählt Altenkirch. Dann wurde das Gekräusel über die Schulter auf den Boden geworfen. Mit seiner Hilfe versuchten die Frauen, aus der Apfelschalen-Schnur die Initiale des künftigen Ehemannes herauszulesen.

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