Kein Konzert, sechs Gottesdienste

Mimbach · In sechs Kirchen während der Gottesdienste sind die sechs Teile von Bachs Weihnachtsoratorium in unserer Region zu hören. In der Form war es ursprünglich vorgesehen, erklärten die musikalischen Initiatoren beim Redaktionsbesuch.

Es gibt nur wenige Musikstücke, die so sehr zu Weihnachten gehören wie Johann Sebastian Bachs (1685 bis 1750) mächtiges Weihnachtsoratorium. Am strahlenden Eingangschor "Jauchzet, frohlocket, auf, preiset, die Tage" haben sich Generationen von Chorsängern versucht, seit Bach das Stück 1734/35 in seiner Zeit als Thomaskantor in Leipzig schrieb. Normalerweise geht es nur noch darum, ob nun die populäreren Teile eins bis drei des insgesamt sechsteiligen Oratoriums im Konzert zu hören sind, oder die etwas weniger geläufigen Stücke vier bis sechs. So war es aber eigentlich von Bach nicht gedacht. Und das ist auch der Grund dafür, warum Bezirkskantor Stefan Ulrich, Carola Ulrich und Thomas Holtmann, der Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Homburg, in die Homburger Redaktion gekommen sind. Mit im Bunde ist auch der Zweibrücker Dekan Peter Butz, der jedoch beim Termin nicht dabei sein konnte. Bach habe das Weihnachtsoratorium nicht als Konzert, sondern aufgeteilt für sechs bestimmte Gottesdienste vorgesehen, erläutert Stefan Ulrich. Und noch etwas überrascht vielleicht den in Kirchenmusik nicht ganz so firmen Hörer: Zunächst waren die Teile ausschließlich weltliche Festkantaten, die erst im Nachgang mit geistlichen Texten versehen wurden, im so genannten "Parodieverfahren". Heute sei die Aufführung als Konzertmusik einzelner oder mehrerer Teile zusammengefasst eigentlich üblich, fügt Carola Ulrich hinzu. Es sei Vorführmusik geworden, ergänzt ihr Mann. Kirchenmusik habe aber einst eine ganz andere Funktion erfüllt: die der Verkündigung in Form eines nicht gelesenen, sondern gesungenen Bibeltextes, der die Menschen auf einer ganz anderen Ebene anspreche.

Sie wollen nun also Bachs Stück sozusagen wieder dorthin bringen, wo er es sah: In Gottesdiensten, verteilt vom ersten Weihnachtsfeiertag bis zum Epiphaniasfest am 6. Januar (siehe Infobox). Das sei übrigens auch im Titel der einzelnen Teile von Bachs Weihnachtsoratorium so festgehalten. So sei zum Beispiel Teil IV "Fallt mit Danken, fallt mit Loben" für den Neujahrstag gedacht gewesen, dem Fest der Beschneidung Christi. "Damit kann der moderne, zeitgenössische Mensch nicht mehr viel anfangen", sagt Ulrich. Es werde spannend zu sehen, wie die Menschen das wahrnehmen werden. Sie freuen sich also darauf, hoffen auf volle Kirchen. Denn auch das haben sie sich als Besonderheit ausgedacht: Die sechs Teile werden in unterschiedlichen Gotteshäusern zu Gehör gebracht, zum Anfang und zum Ende habe man zwei große Kirchen gewählt: die Homburger Stadtkirche und die Zweibrücker Alexanderskirche. Ansonsten entschieden sie sich bewusst für kleinere, solche, "wo nicht so viel Kirchenmusik ist". Dieses "Umherwandern" macht die Organisation nicht gerade leichter, schließlich müssen Chorsänger, Musiker, Solisten sechsmal anreisen, Podeste und andere notwendige Utensilien müssen jedes Mal in die Kirchen gebracht werden.

Die Pfarrer hätten zum Teil mit etwas Skepsis reagiert auf ihr Ansinnen, sich etwa gefragt, ob angemessen viele Leute kommen, ob sich die Musik gut in Weihnachtsgottesdienste, wie sie hier üblich sind, integrieren lasse. Es sei aber auch viel Zustimmung und Interesse gezeigt worden. Wie Gottesdienste und Bachs Musik genau miteinander verwoben werden, muss noch jeweils besprochen werden. Die Musik könne am Stück oder geteilt zu hören sein, die Gemeinde möglicherweise bestimmte Lieder aufgreifen. Bei den Ausführenden, dem Homburger Vokalensemble und Musikern der Radiophilharmonie sei die Idee des "verteilten" Weihnachtsoratorium übrigens direkt gut angekommen, auch wenn es manche schon auswendig können. "Es wird einem nicht über."Der in der Mimbacher Christuskirche am Neujahrstag um 11 Uhr auszuführende vierte Teil steht im Vergleich zu den anderen Teilen und im Gesamtablauf des Oratoriums für sich. Dies liegt an der Kürze des von Bach verwendeten Textes, der nur aus einem Vers (Evangelium vom Neujahrstag) besteht und mit der Weihnachtsgeschichte und der Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland nicht direkt zusammenhängt. Bach hat denn auch einen etwas anderen Aufbau gewählt und mit der Verwendung von Waldhörnern eine andere Klangfarbe benutzt. Trotzdem ist Teil 4 ein reguläres Glied des Oratoriums mit einem Rahmen von Eingangschor ("Fallt mit Danken") und konzertantem Schlusschoral ("Jesus richte mein Beginnen"). Die dramatischen Elemente treten in diesem Teil etwas in den Hintergrund.

Der Eintritt ist frei.

 Sie präsentierten ihr „Projekt“ Weihnachtsoratorium in der Homburger Redaktion (von links): Bezirkskantor Stefan Ulrich, Carola Ulrich – sie übernimmt die musikalische Leitung – und Dekan Thomas Holtmann. Foto: Ulrike Stumm/SZ-Redaktion

Sie präsentierten ihr „Projekt“ Weihnachtsoratorium in der Homburger Redaktion (von links): Bezirkskantor Stefan Ulrich, Carola Ulrich – sie übernimmt die musikalische Leitung – und Dekan Thomas Holtmann. Foto: Ulrike Stumm/SZ-Redaktion

Foto: Ulrike Stumm/SZ-Redaktion

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HintergrundAn diesen Terminen sind die sechs Teile von Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium jeweils im Gottesdienst und natürlich kostenfrei zu hören: Teil eins am Freitag, 25. Dezember, 10 Uhr, in der protestantischen Stadtkirche Homburg, Teil zwei: 26. Dezember, 10 Uhr, in der Altstadter Martinskirche, Teil drei: 27. Dezember, 10 Uhr, in der protestantischen Kirche Steinwenden, Teil vier: 1. Januar, 11 Uhr, in der Christuskirche Mimbach, Teil fünf: 3. Januar, 10 Uhr, Klosterkirche Hornbach, Teil sechs: 6. Januar, 19 Uhr, in der Alexanderskirche Zweibrücken. Singen werden das Homburger Vokalensemble und die Solisten: Anne Katrin Fetik, Ina Kaumann (Sopran), Angela Lösch (Alt), Manuel Horras (Tenor), Vinzenz Haab und Michael Marz (beide Bass). Spielen werden Mitglieder der Deutschen Radiophilharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern; die Leitung liegt in den Händen von Carola Ulrich. ust

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