FC Liverpool gegen Bayern München Für Potato Fritz und gegen Klopp

Neunkirchen · Wenn Liverpool heute auf Bayern trifft, elektrisiert das fast jeden. Auch die Neunkircher Lokalredaktion stimmt sich auf das Spiel ein.

 Auch wenn bei Claudia Emmerich heute zwei Herzen in der Brust schlagen, sie setzt auf Liverpool. Für Marc Prams kann der Sieger nur Bayern heißen. Und zwar aus einem einzigen Grund.

Auch wenn bei Claudia Emmerich heute zwei Herzen in der Brust schlagen, sie setzt auf Liverpool. Für Marc Prams kann der Sieger nur Bayern heißen. Und zwar aus einem einzigen Grund.

Foto: Michael Kipp/Michale Kipp

Hier die Einschätzung von SZ-Redakteur Marc Prams:

Ich gebe es zu: Einem neutralen Beobachter zu erklären, warum man nach wie vor zum FC Bayern steht, ist schwierig. Der Vereinsführung mit Kalle Rummenigge und Uli Hoeneß scheint jede Form der Bodenhaftung abhanden gekommen zu sein, und so gerne man sich an Hasan Salihamidzic als Spieler erinnert, so schrecklich ist es, wenn er heute als Sportvorstand vor ein Mikro tritt und dabei so verloren wirkt, wie ein Welpe auf der Autobahn. Aber es gibt da nun mal dieses eine Gesetz, an dem sich nicht rütteln lässt: Nicht du suchst dir deinen Verein aus, sondern dein Verein sucht dich aus. Das hat der FC Bayern bereits Ende der Siebziger mit mir gemacht.

Ich habe schon in Bayern-Bettwäsche geschlafen, als Brazzo noch keine Schuhe binden konnte und Rummenigge verehrt, als der noch mit schöner geföhnter Frise Reklame für Wella machte. Ich wusste, welche Hobbys Wolfgang Dremmler neben Fußball hat und habe mir den unfassbar lausigen Western „Potato Fritz“ bis zum Ende angeschaut, nur weil Paul Breitner mitspielt. Ich wusste nicht genau, was Iveco bedeutet, fand es aber gut, weil es auf den Bayern-Trikots stand, und kann immer noch nicht glauben, dass wir 1999 das Finale gegen Manchester verloren haben.

Womit wir beim eigentlichen Punkt wären: Champions-League. Achtelfinale. Es geht am Dienstag gegen Liverpool. Seit die Partie ausgelost wurde, ist dieses Spiel Thema. Aus zwei Gründen: Es geht gegen Liverpool und es geht gegen Klopp. Liverpool ist ja der Verein, den außerhalb Englands irgendwie jeder cool findet. Keine Ahnung, ob das an den Beatles liegt, aber auf Liverpool können sich irgendwie alle einigen. „You’ll never walk alone“ und so. Ja, Ja. Mein Verhältnis zu Liverpool ist keins. Mir ist Liverpool ziemlich egal. Aber Liverpool spielt gut. Sehr gut, sogar. Und verdammt schnell. Sollte ich jetzt Gründe aufzählen, weswegen wir dennoch gegen Liverpool gewinnen, fielen mir auf Anhieb kaum welche ein. Die Abwehr der Bayern ist nicht besonders stabil, bisweilen sogar behäbig, und der Angriff – Lewandowski mal ausgenommen – ist in Sache Effektivität nicht gerade eine Maschine. Aber genau das hat man in der NFL in diesem Jahr über die New England Patriots auch gesagt, und die haben den Super Bowl gewonnen.

Ja, als Fußballfan hält man sich bisweilen an Strohhalmen fest. Und außerdem gibt’s dann ja auch noch Klopp. Ich mache es kurz: Ich mag ihn nicht. Ich kann ihn nicht leiden. Konnte ich noch nie. Nicht als er bei Mainz war, nicht als er mit Kerner die WM moderiert hat, schon gar nicht als Trainer von Borussia Dortmund. Und jetzt, bei Liverpool, ist er mir noch immer nicht sympathisch. Und weil sich Fußball und das Dasein als Fan nun mal ganz oft auf absolut irrationalen, total bescheuerten Ebenen abspielt, ist genau das mein Hauptargument, weshalb sich die Bayern im Achtelfinale gegen Liverpool durchsetzen werden: Weil ich Jürgen Klopp nicht leiden kann.

38 Stunden Einsatz für 90 Minuten

Hier die Einschätzung von SZ-Redakteurin Claudia Emmerich:

Kollege Prams sagt: Du suchst dir keinen Verein aus, ein Verein sucht dich aus. Stimmt. Etwa durch Geburt. Meine Farben werden immer Blau-Weiß sein. Karlsruher SC von der Wiege bis zur Bahre. Wie soll es auch anders sein, wenn das badische Mädchen nahe bei und im Wildparkstadion groß wird? Europapokal oder Oberliga, viele Kilometer Distanz – egal.  Oder durch auslösende Ereignisse. Seit dem 25. Mai 2005 gehe ich an der Seite des FC Liverpool (YNWA). Diese magische Nacht von Istanbul hat auch andere zu Fans der „Reds“ gemacht: Nach 0:3 zur Halbzeit im Finale der Champions League gegen den AC Mailand beginnt die Aufholjagd zum 3:3 und endet schließlich im Triumph beim Elfmeterschießen. Eingeleitet hat die Aufholjagd Steven Gerrard, 24 Jahre junger Kapitän. Der echte Scouser – nahe Liverpool geboren – wird bis zu seinem Karriereende 710 Spiele für seinen Verein LFC machen. Einer, der seinem Klub, seinen Fans, seiner  Stadt die Treue hält. Der einmal sagt: Lieber wenige Titel mit meinen Leuten als viele Titel mit anderen. Als Steven Gerrard am 16. Mai 2015 gegen Chrystal Palace zum letzten Mal im heimischen Stadion an der Anfield Road aufläuft, muss ich dabei sein. 38 Stunden bin ich für diese 90 Minuten unterwegs – Flugzeug, Bahn, Taxi, Bus, zu Fuß, viel Stadion, ein bisschen Kneipe, wenig Schlaf und zurück.

Da war wenig Zeit für diese faszinierende Stadt im englischen Nordwesten. Ließ sich bei anderen Gelegenheiten entdecken: am Ufer des braunen Mersey stehen. Den stets frischen Wind von der irischen See spüren. Pints im Pub mit Scousern, die mit Schulenglisch nicht zu verstehen sind. Und durch den Stanley Park spazieren, der kurze Weg vom Goodison Park des FC Everton zur Anfield Road oder umgekehrt. Dabei Zeugnisse des sozialen Niedergangs in den Straßenzügen um die Fußballtempel vor Augen. Gegensätze.

Am Dienstagabend nun FC Liverpool gegen Bayern München. Denen halte ich in der Bundesliga auch schon fünf Jahrzehnte bei, hab in meiner Handballer-Zeit im Bayern-Trikot trainiert. Würde ich den Champions-League-Titel hergeben, wenn der englische Meistertitel endlich wieder nach Liverpool käme?  Richtet sich Bayerns Sehnsucht andersrum aus? Einmal nicht Meister und dafür wieder auf Europas Fußball-Thron?

Liverpool in Anfield. Das wird gegen Bayern klappen (gibt aber ja noch das Rückspiel, Kollege Prams sei gegönnt, wenn da noch Spannung drauf liegt). Liverpools Asse – da nenne ich nicht Alisson Becker im Tor, nicht Abwehrchef Virgil van Dijk (am Dienstag eh gesperrt), nicht das Angriffs-Traumtrio Salah, Mané und Firmino. Ich sage James Milner – 33 Jahre alter Haudegen. Kämpfen und rennen, bis Krämpfe ihn stoppen. Alles reinlegen, nie aufgeben. Und jede Position annehmen: zuletzt Aushilfe hinten rechts. Vielleicht sitzt die Nummer sieben am Dienstag sogar erstmal nur auf der Bank. Für Trainer Jürgen Klopp jederzeit und überall eine Option.

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