Mit ein paar Klicks zu neuen Drogen

Neunkirchen. Drogendealer, die im dunklen Park einer Großstadt ihre Ware an verzweifelte Konsumenten verticken. Ein Klischee, das längst überholt wurde von der Wirklichkeit. Heute sind nur ein paar Mausklicks nötig, um vergleichsweise günstig an Rauschmittel zu kommen

 Sieht so harmlos nach Urlaub aus, ist aber eine Droge, die krank macht. Foto: dpa

Sieht so harmlos nach Urlaub aus, ist aber eine Droge, die krank macht. Foto: dpa

Neunkirchen. Drogendealer, die im dunklen Park einer Großstadt ihre Ware an verzweifelte Konsumenten verticken. Ein Klischee, das längst überholt wurde von der Wirklichkeit. Heute sind nur ein paar Mausklicks nötig, um vergleichsweise günstig an Rauschmittel zu kommen. "Sehr kritisch", sehen es Suchtberater wie Yvonne Illy von der Neunkircher Brigg, "dass Konsumenten so leicht übers Internet an Drogen kommen." Am Mittwoch hat die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) das Jahrbuch Sucht 2013 in Berlin präsentiert (die SZ berichtete). Ein wichtiger Aspekt darin ist die Gefahr, die vom relativ leicht verfügbaren Alkohol ausgeht. Doch das Internet macht es den Konsumenten auch viel zu einfach, an "Legal Highs" zu kommen. Legal Highs (auch Herbal Highs, Research Chemicals oder Badesalzdrogen) sind Drogen, die als Kräutermischungen, Lufterfrischer, Reiniger, Badesalze oder Legal Ecstasies angeboten werden.

Die Brigg, die Beratungs- und Behandlungsstelle für Jugendliche und junge Erwachsene in Neunkirchen, hat zwar bisher relativ wenige Konsumenten von "Legal Highs" in ihren Beratungsangeboten. Aber Yvonne Illy weiß: "Wir sind als Beratungsstelle am Ende der Kette, der Leidensdruck muss schon sehr hoch sein, um bei uns Hilfe zu suchen." Häufiger kommt es vor, dass sich Eltern an die Beratungsstelle wenden, weil sie nicht wissen, was ihre Kinder konsumieren. Doch das wissen diese oft selbst nicht, denn die Entwicklung bei den Legal Highs ist rasend schnell. "Die Wirkstoffe ändern sich laufend", berichtet Illy. Die Pille sieht gleich aus, doch der Konsument kann die Risiken nicht einschätzen. Lebensgefährliche Vergiftungen sind nicht auszuschließen, zumal, wenn Tabletten und Alkohol gleichzeitig eingenommen werden. Die Beraterin der Brigg hat recherchiert, dass zwischen 2005 und 2011 164 neue Substanzen gemeldet worden sind. Die Zahl der Online-Shops explodierte förmlich von 170 im Jahr 2010 auf 693 im Januar 2012. Es sei ein riesiger Markt, der neu entdeckt und ausgebaut worden sei, berichtet Illy. Dabei gehen die Anbieter besonders geschickt vor, indem sie eine bunte, harmlos wirkende Aufmachung wählen mit dem Zusatz "Nicht zum Verzehr geeignet". Die Hemmschwelle, Drogen aus Neugierde zu testen, ist erheblich durch die leichte Verfügbarkeit via Internet gesunken. Etliche Projekte der Brigg wie etwa das Selbstkontrolltraining SKOLL oder ELSA (Elternberatung bei Suchtgefährdung von Kindern und Jugendlichen) setzen frühzeitig an. Aber der wachsende Medienkonsum und die Legal Highs seien zwei Herausforderungen, denen sich die Beratung der Caritas in Zukunft verstärkt widmen müsse, ist sich Illy sicher.

die-brigg.de

"Die Wirkstoffe ändern sich laufend."

Yvonne Illy,

Die Brigg

Risiko wird schön gefärbt

Von SZ-Redakteurin

Heike Jungmann

Abfälle aus der pharmazeutischen Chemie: Letztlich handelt es sich bei den "Legal Highs" um solche Substanzen. Schon der Name und die Aufmachung sind gefährlich verharmlosend und beschönigend, noch ernst zu nehmender ist die leichte Verfügbarkeit dieser Drogen. Es ist gerade für junge Menschen leichter geworden als früher, die Neugierde auf ein Rauschmittel zu befriedigen. Das Internet macht's möglich. Ein paar Klicks, und man kann psychoaktive Substanzen bestellen, die die Sinne berauschen, aber auch Angstzustände auslösen können, Wahnvorstellungen, Herzrasen, Kreislaufprobleme und sogar Psychosen. Die Verfügbarkeit von Drogen in Online-Shops stößt uns auf eine der unzähligen Gefahren, die in der Nutzung des Internets liegen. Das darf nicht dazu führen, dieses Medium grundsätzlich zu verdammen. Vielmehr wird es immer wichtiger, den verantwortungsvollen Umgang mit dem Internet zu lernen. Chancen nutzen, Risiken erkennen. In allen Bereichen. Das gilt für Kinder und Jugendliche, aber auch für Erwachsene.

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