"Ein Seiteneinsteiger, der dicke Bretter bohrt"

Ottweiler. "Mein Idealismus hat nicht gelitten, etwas gedämpft ist meine Euphorie", sagt Holger Schäfer. Eine Folge der chronischen städtischen Finanznot, die den Handlungsspielraum des Bürgermeisters drastisch einschränkt. Seit einem halben Jahr war Schäfer zu Beginn dieser Woche Rathauschef in der Bliesstadt, hat seitdem gute und schlechte Erfahrungen einsortiert

 Viele neue Erfahrungen: Holger Schäfer am Bürgermeister-Schreibtisch. Foto: Thomas Seeber

Viele neue Erfahrungen: Holger Schäfer am Bürgermeister-Schreibtisch. Foto: Thomas Seeber

Ottweiler. "Mein Idealismus hat nicht gelitten, etwas gedämpft ist meine Euphorie", sagt Holger Schäfer. Eine Folge der chronischen städtischen Finanznot, die den Handlungsspielraum des Bürgermeisters drastisch einschränkt. Seit einem halben Jahr war Schäfer zu Beginn dieser Woche Rathauschef in der Bliesstadt, hat seitdem gute und schlechte Erfahrungen einsortiert. Eine weniger erfreuliche ist, dass die Finanzlage der Stadt ein "größerer Bremsklotz als erwartet" ist. Der Bürgermeister sieht sich an den Investitionsplan gefesselt, ein eventueller Spielraum für Wunschobjekte ist Utopie. "Der große Wurf geht nicht", bedauert Schäfer, "wir hätten Investitionsbedarf von sechs Millionen Euro, gerade mal 400 000 sind in diesem Jahr möglich."

Ein zweites Problemfeld sieht er in der nicht gerade übersichtlichen Politlandschaft im Stadtrat. Vier Fraktionen, dazu zwei parteigebundene "Einzelkämpfer" und zwei Fraktionslose mischen dort mit. "Das zu harmonisieren, ist nicht gerade leicht", hat der Verwaltungschef registrieren müssen. Zwar falle das Gros der Beschlüsse einstimmig. "Aber mir missfällt, dass verschiedene Stadtratsmitglieder in beleidigender Form auf die Verwaltung zielen", spricht Schäfer Klartext. Kontroverse Diskussionen in Sachfragen seien selbstverständlich, aber: "Erwachsene Menschen sollten ihr Verhalten so korrigieren können, dass ein sachliches Miteinander möglich ist." Dessen ungeachtet beschreibt der Bürgermeister sein Verhältnis zu allen Parteien als "konstruktiv". Zumal er "allen, die ein Mandat angenommen haben", unterstellt, etwas für die Stadt tun zu wollen. Allerdings konstatiert der CDU-Mann mit Blick auf die Mehrheitsfraktion auch: "Der Kommunalwahlkampf 2014 hat bereits begonnen." Er selbst vertrete als Verwaltungsmann nicht zwingend die Linie seiner Partei: "Ich stehe selbstverständlich für die CDU, bin aber nicht deren Parteichef."

Als durchweg kollegial beschreibt er das Verhältnis zu seinen Rathausmitarbeitern. "Ich bin als Seiteneinsteiger sehr gut aufgenommen worden", so die Erfahrung des Ex-Bundeswehroffiziers. Seine Verwaltung berate ihn hervorragend, bisher habe man bei unterschiedlichen Bewertungen stets einen gemeinsamen Nenner gefunden. Für ihn als ehemaligen Stabsoffizier seien Menschenführung und die Vorbereitung von Entscheidungen kein Neuland. Komplett unterschiedlich seien natürlich die Inhalte seines neuen Berufes. Umstellen musste er sich auch auf eine andere Arbeitsweise: Die Rathaustätigkeit erfordere das bisher so nicht gewohnte "Bohren dicker Bretter".

Im ersten halben Jahr auf dem Chefsessel des Rathauses habe er sich als Mensch nicht verändert, hält der Vater zweier Töchter fest. Und fühle sich auch in der Stadt, die ihn mit klarer Mehrheit gewählt hat, gut angenommen. Dafür bietet er den Bürgern wie versprochen einen transparenten Bürgermeister: "Jeder darf wissen: Wo treibt sich der Schäfer rum?" Deshalb stehen seine Termine im Internet, seine Nebentätigkeiten (derzeit keine) und Gremienmitgliedschaften ebenso. Seine Handschrift mache sich auch bei der stärkeren Einbeziehung der Bürger bemerkbar - etwa mit dem Vereinstisch oder, als nächstem Schritt, dem Bildungstisch.

Natürlich - und auch mit dieser Erfahrung muss sich der 45-jährige Familienvater arrangieren -, ist die bürgermeisterliche 60-Stunden-Woche kein Zuckerlecken fürs Privatleben: "Es ist eine große Herausforderung, Familie und Amt unter einen Hut zu kriegen."

"Der große Wurf geht nicht!"

Holger Schäfer angesichts der Finanzlage

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