Jugendhilfe bleibt unter Kostendruck

Kreis Neunkirchen · Rund 1600 Familien versorgt das Jugendamt im laufenden Jahr mit Erziehungshilfen. Beide Seiten unterzeichnen eine Vereinbarung, welche Schritte eingeleitet werden, in welchem Umfang und Zeitfenster.

 Joachim Brill, Leiter des Kreisjugendamtes, und Jasmin Alt, Öffentlichkeitsarbeit, im Gespräch mit SZ-Redaktionsleiter Manfred Krause (r.) und SZ-Redakteurin Claudia Emmerich (l.). Foto: Willi Hiegel

Joachim Brill, Leiter des Kreisjugendamtes, und Jasmin Alt, Öffentlichkeitsarbeit, im Gespräch mit SZ-Redaktionsleiter Manfred Krause (r.) und SZ-Redakteurin Claudia Emmerich (l.). Foto: Willi Hiegel

Foto: Willi Hiegel

Ein demografischer Knick werde die Kosten in der Jugendhilfe wohl kaum senken, stellt Joachim Brill, Leiter des Kreisjugendamtes, nüchtern fest. Wohl gebe es weniger Kinder, aber dafür stiegen die Fallzahlen. Brill (60) ist seit 36 Jahren in der öffentlichen Jugendhilfe , war davon 25 Jahre im Außendienst. Einer, der Entwicklungen liest: "Die Bedarfsfälle sind heute komplexer, schwieriger, es gibt höheren Korrekturbedarf." Auch Folgen gesellschaftlicher Veränderungen, sagt Brill beim Redaktionsbesuch und will das wertungsfrei verstanden wissen.

14,8 Millionen Euro gibt der Kreis in diesem Jahr für Jugendhilfe aus. "Wir versorgen rund 1600 Familien im laufenden Jahr mit Hilfen zur Erziehung", sagt Brill. Vor fünf Jahren waren es noch rund 1100. Aufmerksam gemacht auf unterstützungsbedürftige Familien, Kinder und Jugendliche wird das Jugendamt von ganz verschiedenen Seiten, zählt Brill auf: "Polizei , Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Nachbarn. Auch Familien und Jugendliche selbst melden sich." Dann übernimmt der Allgemeine Soziale Dienst den Erstkontakt. Seine Mitarbeiter - derzeit 19 sozialpädagogische Fachkräfte - sprechen mit den Eltern, loten die Probleme, aber auch die Ressourcen aus. Brill: "Ohne Partizipation funktioniert keine Hilfe." Beide Seiten schließen einen Hilfe-Kontrakt: Darin wird festgelegt, welche Schritte eingeleitet werden sollen, in welchem Umfang und in welchem Zeitfenster. Die Vertragsinhalte setzen freie Träger wie Caritas oder Diakonie um - "unter unserer Kontrolle".

Bei allem Kostendruck gilt: Qualität sichern. Jugendhilfe ist ein hochsensibler Bereich. "Die Jugendhilfe steht schnell am öffentlichen Pranger", spürt Brill. Kein Mitarbeiter mache es sich leicht, Kinder aus einer Familie rauszuholen. Dieser Entscheidung gingen große Anstrengungen voraus, um gerade diesen Fall abzuwenden. 15 bis 20 Mal im Jahr kommt es laut Brill im Kreis zu einer Inobhutnahme wegen Kindeswohlgefährdung. Es gebe auch Fälle, in denen Eltern selbst drängten, dass sich andere kümmerten, weil sie sich komplett überfordert fühlten.

Aus dem Kreis sind 120 Kinder oder Jugendliche stationär, also außerhalb des Elternhauses, untergebracht. In Wohngruppen, in Pflegefamilien oder - bei älteren Jugendlichen - in Wohngemeinschaften mit pädagogischer Betreuung. Im äußersten Fall kann der junge Mensch auch in eine geschlossene Einrichtung eingewiesen werden. Hier kann ein Platz 12 000 Euro im Monat kosten, beziffert Brill. Die Monatssätze für einen offenen stationären Platz liegen zwischen 4200 und 6000 Euro.

Tatsache ist: Im Saarland fehlen stationäre Plätze, wie Brill beim Redaktionsbesuch noch einmal bestätigt. 30 Prozent werden außerhalb des Saarlandes untergebracht. In kommunaler Trägerschaft sind solche Plätze kaum noch, wie Brill registriert. "Nicht auszuschließen", so Brill, dass eine private Trägerschaft für Heimplätze ein erfolgreiches Geschäftsmodell sein könne.

Immer wieder ist auch von der Unterbringung Jugendlicher im Ausland zu hören und zu lesen. Selten und kurzzeitig, sagt Brill. Derzeit betreffe es aus dem Kreis drei Jugendliche, zwei von ihnen stünden vor ihrer Rückholung.

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HintergrundIdeen angesichts des Kostendrucks erwarten Jugendamtsleiter Joachim Brill und seine Mitarbeiter auch vom Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ISM). Das überprüft derzeit für den Kreis die Versorgungsstrukturen (die SZ berichtete). Die Ergebnisse, so Brill, sollen Mitte 2016 vorliegen. cle

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Am RandeMehrheitlich werden Erziehungshilfen für Jungen auf den Weg gebracht, beobachtet Jugendamtsleiter Joachim Brill: "Aber die Mädchen holen auf." Fallen die Jungen eher mit Aggressionen gegen andere auf, richten die Mädchen Aggressionen oft gegen sich selbst. cle

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