„Es ist einfach schrecklich“

Elversberg · Die Tat gibt Rätsel auf. Wie kann ein Streit zwischen neuer Mieterin und Vermieter so eskalieren, dass der Mann erstochen wird? Die mutmaßliche Täterin wird in eine geschlossene Psychiatrie eingewiesen.

Auf die Nachbarn in der Elversberger Erzpfuhlstraße muss es gestern gewirkt haben wie ein Film. Eine blutverschmierte Frau sitzt auf dem Gehweg. Sie ruft um Hilfe, fordert die Polizei und einen Krankenwagen. Die Nachbarn reagieren. Kurz vor 10 Uhr geht der Notruf bei der Polizei ein. Neben der Frau liegt ein etwa 30 Zentimeter langes Küchenmesser. Wie sich bald herausstellt, hat die 46-jährige damit mehrfach auf ihren 72-jährigen Vermieter eingestochen. Der Mann stirbt noch im Haus.

Bei Ankunft am Tatort wirkt die beschauliche Sackgasse wieder ruhig und vor allem fast menschenleer. Nur der blaue Bus der Spurensicherung und ein grün-weißes Absperrband der Polizei deuten auf das Drama hin, das sich hier vor Kurzem abgespielt haben muss. Nach und nach kommen ein paar Nachbarn wieder vor die Tür. Die meisten wissen längst, dass Gerold B., der Eigentümer des Hauses, nicht mehr lebt. Wie es zu der Tat kommen konnte, können aber auch sie sich nicht erklären.

Eine Nachbarin beschreibt, dass sie die Hilferufe einer Frau gehört habe. Andere erzählen, dass die Frau erst am Samstag als Mieterin in die Parterrewohnung des Hauses eingezogen sei. Im Fenster hängt ein Gemälde eines Gorillas, ein Fenster steht offen, der Rollladen ist halb heruntergelassen. Gerold B. war seit mehreren Jahren Witwer und hat erst kürzlich sein Eigenheim, in dem er die Räume im zweiten Stock bewohnte, renoviert, erzählen die Nachbarn .

Wie die Polizei bestätigt, ereignete sich die Bluttat in der Wohnung der Mieterin. Man gehe von einer Auseinandersetzung aus, so Polizeisprecher Stephan Laßotta. Die Leiche des 72-jährigen sei im Hausflur gefunden worden.

Nachbarn wollen gehört haben, wie die mutmaßliche Täterin der Polizei erzählte, ihr Vermieter habe sie gewürgt. Erst dann habe sie zum Messer gegriffen. Ein anderer Nachbar will gesehen haben, wie das Opfer kurz vor der Tat mit dem Auto nach Hause gekommen sei.

Warum es so kurz nach dem Einzug zum tödlichen Streit mit dem Vermieter gekommen ist, soll die Vernehmung der vorläufig als dringend tatverdächtig festgenommenen 46-Jährigen zeigen. Abschließende Ergebnisse liegen bis zum Abend keine vor. Sicher ist da allerdings nach Aussage des Kriminaldauerdienstes Saarbrücken: Die gebürtige Elversbergerin wird in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung außerhalb des Saarlandes untergebracht. Sie stelle eine Gefahr für sich und andere dar.

Über die Richtung der Ermittlungen, so Laßotta, entscheidet die Staatsanwaltschaft auch abhängig davon, wie die Aussage der mutmaßlichen Täterin zu den gefundenen Spuren am Tatort passt. Denkbar seien Notwehr, Körperverletzung mit Todesfolge, Totschlag oder sogar Mord.

Die genaue Todesursache soll eine Obduktion klären, die für den späten Nachmittag angesetzt ist (bei Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossen). Augenscheinlich hätten aber mehrere Stichverletzungen zum Tod geführt, bestätigt Polizeisprecher Laßotta. Weder Opfer noch mutmaßliche Täterin waren der Polizei zuvor bekannt.

Schrecken und Unverständnis dominieren die Gefühlswelt der Anwohner. "Er hat seit über dreißig Jahren hier gewohnt, war ein netter Kerl und hat immer geholfen, wenn man ihn brauchte", beschreibt der Nachbar von gegenüber. Dass das Opfer die Frau vor den tödlichen Stichen angegriffen haben könnte, kann er nicht glauben. "Es ist schrecklich. Das hätte ich mir für ihn nie gewünscht", sagt eine andere Nachbarin. Das Opfer, so weiß sie, hinterlässt zwei Töchter und zwei Enkelkinder.

Es bilden sich Grüppchen. Jeder scheint den anderen auf den neuesten Stand bringen zu wollen. Eine Passantin, die ihren kleinen Hund spazieren führt, bringt die Fassungslosigkeit der Umstehenden auf den Punkt: "Man kann die Welt nicht mehr begreifen."

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