Musical Ein Casting für echte Profis

Neunkirchen · 40 Musicaldarsteller tanzten und sangen am Dienstag beim Casting für die Rocky Horror Show vor und waren dafür unter anderem aus London, Madrid und Hamburg angereist.

 Teilnehmer der Audition zur Rocky-Horror-Show posen zusammen mit dem Stab. Links Edda Petri, Mitte Ellen Kärcher, rechts Michael Rennig und Francesco Cottone.

Teilnehmer der Audition zur Rocky-Horror-Show posen zusammen mit dem Stab. Links Edda Petri, Mitte Ellen Kärcher, rechts Michael Rennig und Francesco Cottone.

Foto: Jörg Jacobi

Schweiß glänzt auf den durchtrainierten Körpern. Meat Loaf heizt tüchtig ein mit „Hot Patootie - Bless My Soul“, in Endlosschleife. Während das Gros der Bewerber an der Seite kurz Luft holt und sofort wieder Dehnübungen absolviert, fegt die nächste Vierergruppe zappelnd und wild grimassierend über die Bühne. Fast synchron bewegen sich die jungen Damen und Herren. Und das, obwohl sie diese Abfolge von Schritten, Drehungen und Sprüngen erst seit einer Stunde kennen: „Das schnelle Aufnehmen und Umsetzen heißt Pick up“, erklärt Yvonne Braschke, zuständig für die choreographische Assistenz.

Sechs Rollen für die ab Mai in Neunkirchen laufende „Rocky Horror Show“ galt es am Dienstag, in der Gebläsehalle zu besetzen. Auf die bundesweite Ausschreibung meldeten sich über 100 Bewerber, alle zwischen 20 und 35 Jahren alt, informiert Michael Rennig von der Produktionsfirma Tre Tempi. Drei Wochen lang wurden die Unterlagen gesichtet und Videomitschnitte angeschaut. „Da gab es Profis, die schon in 50, 60 Produktionen mitgewirkt haben.“ Einer der 40, die es in die nächste Runde schafften, ist Maik Dehnelt. Der gebürtige Sachse mimt derzeit den Pinocchio auf Tournee und sucht ein Anschlussengagement fernab der Kindermusical-„Schublade“. Gesungen hat er schon als kleiner Junge gern, „angefixt“ von den Disney-Filmen. Später trat Dehnelt dann auf Feiern auf und überlegte, ob daraus nicht ein Beruf werden könnte. „Die DSDS-Schiene wollte ich auf keinen Fall“, lieber das Handwerk von der Pike auf lernen. Ein bisschen gegraut habe ihm damals vor dem Tanzen, aber „da wächst man rein“. Im Oktober schloss der 28-Jährige seine Ausbildung an der Musicalschule des Berliner Ballettcentrums ab. Dabei hat er heute außer Tanzschuhen, Sportzeug und Noten natürlich seinen Talisman: einen kleinen braunen Plüschaffen.

Nach einer kurzen Pause geht es ans Singen. Am „Juroren“-Tisch vor der Bühne haben Ellen Kärcher und Edda Petri, die beide selbst eine Hauptrolle spielen, und Francesco Cottone als musikalischer Leiter Platz genommen. Es wirkt ein kleines bisschen wie im Fernsehen – nur netter. Böse Sprüche fallen hier keine, Manöverkritik wird nur im Flüsterton untereinander ausgetauscht. Ob ihm so ein Casting Spaß macht? „Ja“, strahlt Cottone, der bei jedem Song mitgeht und zudem die Begleitung durch Nino Deda am Flügel genießt. Bei seinen beiden Kolleginnen ist es etwas ambivalenter. Wissen sie doch selbst ziemlich gut, wie es sich anfühlt, da oben zu stehen und sich best möglichst verkaufen zu müssen. Das Schlimmste sind natürlich die Absagen. „Das ist immer fies.“ Per Mail bekommen die Bewerber Bescheid, ob man sich für sie entschieden hat – oder nicht: „Ich versuche immer, das etwas persönlicher zu formulieren, nicht so formal“, verrät Edda Petri.

Im besten Fall haben die Teilnehmer eine Ballade mitgebracht und ein schnelleres Stück. Ein Freddie Mercury-Song erklingt, dann geht es direkt in den kleinen Horrorladen „Im Grünen irgendwo“. Eine patente Dunkelhaarige schmettert eine Arie aus Aida. Cottone überzeugt das wenig, „sie hat das Timing nicht verinnerlicht“, und wirkt etwas „quietschig“. „Das ist die Gefahr“, nickt Ellen Kärcher. Die große leere Bühne schluckt die Töne, „da muss man schreien“. Sichtlich angetan ist das Trio augenblicklich von Veronika Enders, eine der versiertesten Bewerberinnen. Sie überzeugt auf Nachfrage zusätzlich mit einer Schauspielszene in burschikosem Bayrisch. „Möchtest du mal die Janet ausprobieren?“ Na und ob!

Wenig Chancen malt sich dagegen Nadine Stiebel aus. Die Luft ist einfach raus. Vor nicht mal 24 Stunden hat sie beim Casting in Paris alles gegeben. Per Flugzeug ging es zurück nach Hamburg und gleich darauf hierher. „Die Kraft fehlt“, meint die Musicaldarstellerin resigniert und rechnet quasi schon mit einer Absage. „Manchmal ist man auch einfach nicht der Typ, der gesucht wird.“ Am besten, man lernt noch was draus. In dem Fall: „Prioritäten setzen.“ 

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