Improvisierter Tanz um den Altar

Saarbrücken. "Ich lobe den Tanz, denn er befreit den Menschen von der Schwere der Dinge [... ] O Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit Dir nichts anzufangen!" So schrieb der heilige Augustinus

Saarbrücken. "Ich lobe den Tanz, denn er befreit den Menschen von der Schwere der Dinge [...] O Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit Dir nichts anzufangen!" So schrieb der heilige Augustinus.Unter Berufung auf dessen Worte begrüßte Kantor Bernhard Leonardy am Sonntagnachmittag zahlreiche Zuschauer zu einem besonderen Konzertereignis: Die Freunde der Kirchenmusik und das Musikfestival "Orgel ohne Grenzen" hatten zu "Orgel, Tanz und Malerei" in die Basilika geladen. Im Zentrum stand die argentinische Tänzerin Teresa Marcaida, früher im Ensemble der Donlon Dance Company des Saarländischen Staatstheaters, heute Mitglied der Academia di Danza Nationale di Roma (Italien). Sie hat sich mit Tanz-Improvisationen zu Musik einen Namen gemacht und war nun eigens nach Saarbrücken gereist. Zu Musik arbeitet auch die Künstlerin und plastische Chirurgin Barbara Veldung, gebürtige St. Ingberterin und Wahlpariserin, die hier Orgelklänge und Bewegung gleichzeitig an zwei seitlich aufgebauten Staffeleien in großformatige Bilder fasste.

Zum ersten Satz von Johann Sebastian Bachs Toccata, Adagio und Fuge in C-Dur BWV 563 kam Marcaida durch den Mittelgang Richtung Altarraum gewirbelt: Eine schöne Frau mit anmutigem Nacken, in rückenfreiem, weinrotem Tricot, einem weit schwingenden Rock in gleicher Farbe, schwarzer Spitzenstola und schwarzen Strümpfen. Beim Adagio dann keine herausfordernden Blicke mehr zu Publikum und Orgelempore: in sich gekehrtes Verharren, gebogener Rumpf - der Ausdruck wird angespannter, unruhiger. Die Fuge dann wie eine Erlösung: Selbstbewusst und verführerisch dreht Marcaida Pirouetten und umtanzt den Altar. Noch gravierender die Stimmungswechsel bei Louis Victor Jules Viernes wuchtiger 3. Orgelsymphonie, Opus 28: Zum Brausen des Allegros hält Marcaida getanzte Zwiesprache mit ihrer Porträtistin und spielt während der Cantilène auf der Kanzel mit den Lichteffekten einer Halogenlampe.

Im sarkastischen Scherzo hält sie die Hände oft auf dem Rücken, wirkt unfrei, gefesselt, fremdgesteuert. Im Adagio steigert sich das zum bewusstlosen Taumel, der sich im Gewittersturm des Finales in Demut löst - Gleiten, Spagat, Kniefall, Applaus. Nun bekam man auch Veldungs mit schwungvollem Strich entstandene Gemälde zu sehen, auf denen sie die Bewegung in Goldbeige, Schwarz, Grau und Rot halb gegenständlich, halb abstrakt eingefangen hatte. Fazit: gelungenes Experiment. kek

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