Immer mehr Saarländer dopen gegen Stress im Job

Herr Maurer, Sie sind als Landesbeauftragter bei allen psychoaktiven Substanzen zuständig. Gehören dazu auch Alkohol und Nikotin?Maurer: Auf jeden Fall. Da gehören alle Substanzen dazu, die auf der psychischen Ebene eine gewisse Beeinflussung erzeugen. Das ist auch bei Nikotin der Fall

Herr Maurer, Sie sind als Landesbeauftragter bei allen psychoaktiven Substanzen zuständig. Gehören dazu auch Alkohol und Nikotin?Maurer: Auf jeden Fall. Da gehören alle Substanzen dazu, die auf der psychischen Ebene eine gewisse Beeinflussung erzeugen. Das ist auch bei Nikotin der Fall.

Das Landesinstitut für präventives Handeln beschäftigt sich mit Suchtprävention im Betrieb. Wieso das?

Maurer: Immer mehr Betriebe werden mit Mitarbeitern konfrontiert, bei denen regelmäßiger Drogenkonsum Teil ihres Lebens- und Arbeitsalltags ist.

Die Behauptung lässt sich vermutlich nicht nachprüfen.

Maurer: Als die Polizei im Dezember Verkehrskontrollen in den Nachmittagsstunden machte, waren mehr als die Hälfte derer, die unter Einfluss von Drogenkonsum am Steuer saßen, Arbeitnehmer, die von der Arbeit kamen. Sie gaben zu, Amphetamine eingenommen zu haben, um die Arbeit im Betrieb besser bewältigen zu können.

Und woran liegt das?

Maurer: Es liegt vermutlich daran, dass zum einen der Leistungsdruck in den Betrieben zugenommen hat und andererseits das Angebot an Suchtmitteln da ist, diese also leichter verfügbar sind als früher.

Wie können die Betriebe gegensteuern?

Maurer: Es sollte in einer Betriebsvereinbarung klar geregelt sein, was mit diesen Arbeitnehmern passiert. Keinesfalls sollte der Betriebe sie sofort entlassen. Sie sollten einer Entzugstherapie zugeführt werden. So etwas kann beim ersten Mal vier Wochen dauern.

Können Sie in den Betrieben dafür sorgen, dass der Leistungsdruck von den betroffenen Arbeitnehmern genommen wird?

Maurer: Nein, das können wir nicht. Wir können nur aufklären und Vorgesetzte darin schulen, wie sie auf solche Fälle aufmerksam werden. Je früher solche Fälle entdeckt werden, desto chancenreicher ist die Therapie.

Und wie können Vorgesetzte solche Fälle entdecken?

Maurer: Wichtige Merkmale sind die Reaktionsfähigkeit der Pupille, die Aussprache und die Motorik, also die Art und Weise, wie sich ein Mitarbeiter bewegt. Wir bieten dazu als Landesinstitut für präventives Handeln Kurse an.

Wie oft werden Sie von Betrieben im Saarland angefordert?

Maurer: Ich bin ganz gut ausgebucht.

Sind es vor allem Amphetamine, die konsumiert werden?

Maurer: Häufiger wird das Medikament Ritalin konsumiert. Die Rezeptpflicht kann umgangen werden, wenn das Ritalin über zweifelhafte Anbieter im Internet, zum Beispiel, über Spanien, rechtswidrig auf dem Postweg eingeführt wird.

Was ist das für eine Arznei?

Maurer: Es macht hellwach, die Leute haben keinen Hunger mehr, können Nachtschichten besser bewältigen. Nach der Nachtschicht nehmen einige auch noch Cannabis, um wieder runterzukommen. Ritalin ist übrigens auch in Schulen und Hochschulen zum Gehirndoping verbreitet.

Spielen Alkohol und Nikotin in den Betrieben noch eine Rolle?

Maurer: Kaum. Alkohol ist aus den Betrieben zwischenzeitlich regelrecht verbannt worden.

Was wird noch eingenommen?

Maurer: In Betrieben, wo man schwer arbeiten muss - etwa in der Baubranche oder im Gerüstbau - sind häufig Fälle bekannt geworden, wo die Arbeitsfähigkeit mit Überdosen von Diglofenac auf zweifehafte Weise gewährleistet wird, damit einem die Knochen nicht so wehtun. Meine Erfahrung zeigt, dass gerade Werkvertragsarbeitnehmer aus dem Ausland mit regelrechten Apotheken verschreibungsmittelpflichtiger Medikamente einreisen, damit sie hier durch Doping am Arbeitsplatz den Arbeitsstress bewältigen können.Foto: Privat

Hintergrund

Drogen-Expertenaus Europa treffen sich morgen in St. Ingbert zu einem Kongress mit den Schwerpunkten Drogenerkennung und Suchtprävention. Ausrichter sind das Landesinstitut für präventives Handeln (LPH) in St. Ingbert sowie das saarländische Sozialministerium.

Das Saarland ist laut Ministerium europaweiter Vorreiter bei der Erforschung von Drogentests. Die in St. Ingbert gezeigten Speicheltests wurden mithilfe des Landes erforscht und wissenschaftlich vom Institut für Rechtsmedizin der Saar-Uni betreut. Interessierte können sich in der Stadthalle einem Selbstversuch unterziehen. red

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