Bleibende Eindrücke in bizarren Welten

St. Ingbert · Nachdem Patrick Klemmer im vergangenen Jahr hauptsächlich in den Alpen geklettert war, packte ihn 2016 wieder die Reise- und Abenteuerlust. Sie hatte den St. Ingberter Bergsteiger schon in Länder wie Nepal, Peru, Bolivien, Ecuador oder Kirgistan geführt, um Land und Leute kennenzulernen sowie die Berge an den fernen Zielen zu besteigen (wir berichteten mehrfach). Klemmers Vorgabe diesmal: "Ich wollte eine Gebirgslandschaft und eine Kultur entdecken, die ich noch nicht kannte." Pakistan und der Karakorum mit dem K2, dem mit 8611 Meter Höhe zweithöchsten Berg der Erde (oben im Bild), waren ein solches Ziel - "und für Bergsteiger ein Muss".

Vor Jahren wäre dieses Gebiet für den St. Ingberter noch undenkbar gewesen, "da war mir schlichtweg die Terrorgefahr zu groß". Doch zuletzt hatte Klemmer seine Meinung relativiert. "Wie die jüngsten Anschläge in Europa und der Welt zeigen, kann überall etwas passieren." Und so war für den St. Ingberter Kletterer nach Absprache mit seiner Lebenspartnerin die Entscheidung gefallen. Im Juni 2016 startete er zu einer dreiwöchigen Trekkingtour nach Pakistan.

Mit 30 Kilogramm Gepäck flog Klemmer von Frankfurt aus über Doha in Katar Richtung Pakistan. In dessen Hauptstadt Islamabad traf er den Rest der Gruppe, mit der er drei Woche lang unterwegs sein wollte. Die sechs Teilnehmer kamen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und hatten alle das gleiche Ziel: den K2 und die "Leuchtenden Berge" des Karakorum zu sehen. Pakistan war für den St. Ingberter, für den die Faisal-Moschee ein Höhepunkt einer halbtägigen Stadtrundfahrt durch Islamabad war, nach Ägypten erst das zweite islamische Land, das er bereiste. "Wer an Pakistan denkt, dem kommen Schlagwörter wie Taliban , al-Qaida, IS oder Selbstmordattentate in den Sinn. Das Pakistan, das ich vorfand, war aber ganz anders als jenes, das ich aus unseren Medien zu kennen glaubte", erzählt Klemmer. Die Pakistani hätten die Bergsteiger-Gruppe sehr gastfreundlich und neugierig empfangen und freuten sich, dass Besucher auch in Zeiten politischer Unruhen in ihr Land kommen. Klemmer: "Von der Kultur und der freundlichen Art der Menschen war ich angenehm überrascht."

Von Islamabad aus ging es per Flugzeug am Nanga Parbat (8125 Meter) vorbei nach Skardu, der Hauptstadt Baltistans. Hier verbrachte die Gruppe einen Ruhetag zur besseren Akklimatisation. In einer abenteuerlichen Fahrt mit Geländewagen folgte dann die Strecke durch das liebliche Shigar-Valley und die wilde Braldu-Schlucht mit vielen Flussdurchquerungen nach Askole (2950 Meter hoch gelegen), dem Ausgangspunkt für das 14-tägige K2-Trekking. "Der Anmarsch zum K2 gehört zu den härtesten Trekkingtouren im Karakorun und Himalaya und gleicht einem Tour-de-France-Etappenplan", beschreibt der St. Ingberter die Herausforderung. Bis zum berühmten Concordia-Platz (4600 Meter) waren rund100 Kilometer im ständigen Auf und Ab zu bewältigen, wobei die letzten 60 Kilometer auf dem eis- und geröllbedeckten Baltoro-Gletscher zurückgelegt wurden. In den ersten beiden Tagen seien die Wanderer schon gegen 5 Uhr früh gestartet, da es am Tag bis 38 Grad heiß wurde. Die Tagesetappen lagen zwischen acht und zehn Stunden Gehzeit bei 20 bis 25 Kilometer Wegstrecke. Klemmer: "Die Natur und Landschaft mit ihren Bergen erscheint wild und bizarr. Und in keinem Gebirge der Welt findet man so viele Sechs-, Sieben- und Achttausender wie hier im Karakorum."

Aufstieg bei Nacht

Nach fünf Tagen erreichte die Gruppe gemeinsam mit den Balti-Trägern und der Küchenmannschaft den Concordia-Platz, von wo aus man einen fantastischen Rundblick zu den Karakorum-Giganten wie K2 und Broad Peak hatte. Ab hier kamen Pickel, Steigeisen und Seil zum Einsatz und mit der Überschreitung des Gondogoro La (5650 Meter) hatte die Tour ihren alpintechnischen Höhepunkt. Der Aufstieg erfolgte aufgrund der Eisschlaggefahr in der Nacht. Und die Bergsteiger standen bei Sonnenaufgang am Gipfel mit traumhafter Kulisse gewaltiger Gipfel: K2, Broad Peak Gasherbrum I, II, III und IV oder Laila Peak. "Hier waren die Leuchtenden Berge zum Greifen nahe." Er habe schon viele Gipfel bestiegen, "aber dies war ein ganz besonderer Moment, bei dem ich vor Glück Tränen in den Augen hatte.". Dennoch unverzichtbar: ein Gipfelfoto mit dem K2 und dem St. Ingberter Stadtwappen.

Ab hier ging es für Klemmer und seine Kameraden in den folgenden Tagen nur noch bergab (Abstieg etwa 3000 Höhenmeter), bis die Gruppe das Bergdorf Hushe erreichte. "Da in den vergangenen drei Jahren der Gondogoro La durch das Militär gesperrt war, waren wir die ersten Bergsteiger , die wieder in dieses Dörfchen mit seinen etwa 1000 Einwohnern kamen", berichtet Klemmer. Dementsprechend groß sei das Interesse der Bevölkerung an den ausländischen Besuchern gewesen. "In der Öffentlichkeit sah man nur Männer. Die Frauen verließen ihr Haus nur selten und sind für den Haushalt und die Familie verantwortlich. Im Vergleich zu Islamabad leben die Menschen im Hushe-Tal wie im Mittelalter." Genau das mache den Reiz solch einer Tour aus: die alpintechnische und konditionelle Herausforderung und das Abenteuer, weil man nie wisse, was der nächste Tag bringt. "Aber vor allem waren es die Menschen in Pakistan, die mich immer wieder faszinierten." Trotz ihrer Armut zeigten sie Freundlichkeit und die Hilfsbereitschaft, so Klemmer. "Pakistan hat wesentlich mehr zu bieten als Selbstmordattentate und Taliban ", lautet das Fazit des St. Ingberter Bergsteigers.

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