Hohe Erwartungen und etwas Skepsis

St. Wendel. Was eigentlich nur noch Formsache schien, wurde gestern überraschend zur Zitterpartie. Erst im zweiten Wahlgang bestimmten die Abgeordneten des Landtags die 49-jährige CDU-Politikerin zur saarländischen Ministerpräsidentin. Dabei erhielt sie mit 26 Stimmen eine weniger, als die Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen hat

St. Wendel. Was eigentlich nur noch Formsache schien, wurde gestern überraschend zur Zitterpartie. Erst im zweiten Wahlgang bestimmten die Abgeordneten des Landtags die 49-jährige CDU-Politikerin zur saarländischen Ministerpräsidentin. Dabei erhielt sie mit 26 Stimmen eine weniger, als die Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen hat."Mich wundert das nicht", kommentiert Giuseppe Nicastro dieses Ergebnis. "Bei dieser Koalition überrascht mich gar nichts mehr." Die Jamaika-Regierung stehe nicht für eine einheitliche Linie. "Teamplay ist für die ein Fremdwort, und mir scheint es so, als ob auch in der Koalition nicht alle mit der Politik der Regierung einverstanden sind", poltert der 40-jährige St. Wendeler. Seine Vermutung: Abgeordnete der Grünen hätten Kramp-Karrenbauer die Zustimmung verweigert. Und das mit Blick auf eine mögliche Rot-Grüne Regierung nach der kommenden Landtagswahl. "Die FDP hat zu viel mit sich selbst zu tun", argumentiert er. An der Person Kramp-Karrenabauer will er den knappen Wahlausgang nicht festmachen. "Das wäre jedem anderem CDU-Kandidaten auch passiert", glaubt Nicastro.

Auch Gottfried Schwan aus Gehweiler sieht die Abstimmung als Warnung der Koalitionäre an die neue Regierungschefin. "Das war ein Schuss vor den Bug, um zu zeigen, dass sie bei der zukünftigen Politik, auf die Interessen der kleineren Partner Rücksicht nehmen soll", sagt der 78-Jährige. "FDP und Grüne wollten damit ihre Position stärken." Kramp-Karrenbauers Ansehen sei durch die Niederlage im ersten Wahlgang leicht ramponiert. Schwan: "Das Ergebnis hat mich überrascht, vor allem weil sie in den vergangenen Wochen versucht hat, sich auch außerhalb des Landtages populär zu machen." Von der neuen Machthaberin verspricht er sich jetzt mehr Einsatz für die saarländische Jugend. Denn: "Peter Müller war für mich mit dem Kopf nicht mehr im Saarland."

Florence Egler (20) meint: "Das Ergebnis zeigt fehlendes Vertrauen in die Regierungschefin." Sollte das so bleiben und die Regierung dadurch entscheidungsunfähig werden, ist die Nambornerin für Landtags-Neuwahlen. "Da bin ich dagegen", widerspricht Erdal Marx. "Neuwahlen kosten wieder Geld, und das ist ohnehin knapp." Ein Urteil über die Regierungschefin will er sich erst noch bilden. "Sie muss jetzt ein eigenes Profil entwickeln. Der Start war nicht sehr positiv, aber ich bin gespannt, was da noch kommt", erklärt der Ottweiler (31).

Ählich sieht's Erdem Yigit: "Die Autorität von Peter Müller hat sie noch nicht, aber das kann ja noch werden." Dass Kramp-Karrenbauer zwei Wahlgänge benötigen würde, überraschte ihn. "Damit hätte sie wohl selbst nicht gerechnet. Aber ich halte das deshalb für einen kleinen Denkzettel von FDP und Grünen." Ein Denkzettel der Folgen haben könne: "Ein klares Ergebnis wäre für ihr Ansehen als Ministerpräsidentin sicher besser gewesen."

Auch Maritta Keller aus Freisen reagiert erstaunt auf die sicher geglaubte Wahl, möchte aber nicht über Gründe spekulieren. "Ich freue mich einfach, dass wir jetzt eine Frau an der Regierung haben", sagt sie. Die 62-Jährige habe die Politikerin bereits kennen gelernt. "Sie ist sehr nett", so Kellers Urteil. Das allein reiche jedoch nicht. Von der "Frau an der Macht" erwarte sie nun mehr Einsatz. Für die Freisenerin besonders wichtig: die Bildungs- und Schulreform. Keller: "Da muss mehr passieren."

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