Hebammen Hebammen fordern Studiengang an der HTW

Berlin/Saarbrücken · Saarländischer Hebammenverband unterstützt heute bundesweite Aktion, um auf Missstände des Berufs aufmerksam zu machen.

 Eine Hebamme hört mit einem CTG die Herztöne eines Babys einer schwangeren Frau ab. Geburtshelferinnen tragen eine hohe Verantwortung für das Leben von Mutter und Kind. Im Ernstfall bleiben wenige Minuten, um zu handeln.

Eine Hebamme hört mit einem CTG die Herztöne eines Babys einer schwangeren Frau ab. Geburtshelferinnen tragen eine hohe Verantwortung für das Leben von Mutter und Kind. Im Ernstfall bleiben wenige Minuten, um zu handeln.

Foto: dpa/Uli Deck

Hebammen sind unverzichtbar beim Start ins Leben. Denn in Deutschland muss eine Hebamme bei jeder Geburt dabei sein. Doch die Helferinnen leiden unter Arbeitsverdichtung und Nachwuchsmangel. Ein Ausweg könnte die Akademisierung des Hebammen-Berufes sein. Warum erklärt Anne Wiesen, selbst Hebamme im Caritas-Klinikum Saarbrücken und Vorsitzende des Saarländischen Hebammenverbandes.

Hebamme ist ein Jahrtausende alter traditioneller Frauenberuf. Würden Sie einer Jugendlichen heute noch empfehlen, ihn zu ergreifen?

Wiesen Ja, auf jeden Fall. Es ist ein sehr schöner und spannender Beruf. Ich weiß bei Schichtbeginn nie, was mich erwartet. Ich begleite Frauen medizinisch und moralisch an einem Wendepunkt in ihrem Leben, in einer Extremsituation. Und ich darf den neugeborenen Menschen in Empfang nehmen. Natürlich muss ich dabei alle Sinne beisammen haben, um in einer möglichen Notsituation schnell reagieren zu können. Es ist also kein Beruf, an den ich lässig rangehen kann.

Obwohl es aus Ihrer Sicht ein schöner Beruf ist, ist die Zahl der Bewerberinnen deutlich gesunken.

Wiesen Leider ja. Ich glaube, viele junge Frauen wollen nicht mehr Tag und Nacht arbeiten. Sie scheuen den Schichtdienst in der Klinik und als Freiberufliche die dauerhafte Rufbereitschaft. Viele sind auch wegen der Haftpflichtproblematik abgeschreckt und denken: Oh Gott, als Hebamme verdiene ich nichts mehr.

Sie spielen darauf an, dass eine Hebamme, die freiberuflich Geburtshilfe anbietet, über 7600 Euro im Jahr nur für ihre Berufshaftpflichtversicherung bezahlen muss. Auch wenn die gesetzlichen Krankenkassen mittlerweile zwei Drittel der Kosten zurückerstatten. Ein Missstand, den Sie unter anderem heute mit dem Deutschen Hebammenverband vor der Europa-Galerie in Saarbrücken anprangern wollen.

Wiesen Ja, wir fordern von der Politik einen Haftpflichtfonds für alle Gesundheitsberufe, damit das Thema ein für allemal ein Ende hat. Schadensfälle könnten dann über diesen Fonds abgedeckt werden. So würde die Prämie für die Haftpflicht nicht weiter steigen.

Wie viel Zeit bleibt Ihnen und Ihren Kolleginnen im Notfall, um zu reagieren?

Wiesen Wenn aus dem Nichts zum Beispiel der Puls des Kindes runter geht, haben wir zehn Minuten Zeit für einen Notkaiserschnitt. Da ist die Anästhesie beteiligt, der Oberarzt, das OP-Team. Das ist eine ganz schwierige Situation. Es funktioniert aber. Heikel wird es, wenn eine Hebamme mehrere Frauen gleichzeitig betreut und  dadurch womöglich die Notsituation zu spät erkennt.

Sie setzen sich angesichts des Nachwuchsmangels auch für die Einführung eines Bachelor-Studienganges für Hebammen in Deutschland ein.

Wiesen Ja, genau. In allen EU-Ländern außer in Deutschland ist dieser schon eingeführt. Denn es gibt eine EU-Vorgabe, die ganz klar sagt, bis 2020 muss es eine Akademisierung der Hebammen-Ausbildung geben. Um das zu erreichen, muss aber das Gesetz zur Hebammen-Ausbildung im Bundestag geändert werden. Das ist noch nicht geschehen, obwohl nur noch knapp zwei Jahre Zeit sind. Im Saarland ist es so, dass das Vorhaben – einen Hebammenstudiengang zu konzipieren und einzurichten – schon im Koalitionsvertrag der Landesregierung festgehalten ist. Wir als Landesverband wünschen uns die Ansiedlung eines solchen dualen Bachelor-Studienganges an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW). Denn dort gibt es bereits einen Studiengang für Pflege, so könnte optimal auf vorhandene Ressourcen zurückgegriffen werden. Dank eines solchen Studienganges wäre die Aufnahme in den Beruf nicht mehr auf wenige Fachschulen für Hebammen beschränkt, jede Interessentin könnte sich für ein Studium bewerben und dadurch erreicht man eine Steigergung der Ausbildungsplätze.

Würden Hebammen nach einem solchen Studium besser verdienen? Wie zufrieden sind Sie mit dem Gehalt Ihres Berufsstandes?

Wiesen Nach einem solchen Bachelor-Abschluss würden Hebammen monatlich 500 Euro mehr verdienen. Das ist aber aus unserer Sicht auch der Grund, warum die Länder bei der Umsetzung zögern, denn dann müssen Krankenhäuser und Krankenkassen ja mehr zahlen. Als freiberufliche Hebamme kann ich zwar gut verdienen, muss dann aber auch 50 bis 60 Stunden in der Woche arbeiten. Eine Berufsanfängerin im Krankenhaus verdient derzeit 1500 Euro netto, das ist angesichts des Stresses und der Verantwortung zu wenig.

Seit 1990 wurden zwölf von 20 Kreißsälen im Saarland geschlossen. Es gibt nur noch acht geburtshilfliche Abteilungen, wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?

Wiesen Die Geburtenzahlen steigen und es macht viel aus, dass plötzlich zehn Prozent mehr Geburten da sind. Das merken ja alle Kliniken. Oft sind nicht genug Hebammen da und in den Räumlichkeiten wird es eng. Im Saarland geht der Trend ja dahin, noch weitere Kreißsäle zu schließen, da gibt es schon sehr konkrete Berechnungen. Man möchte ganz offensichtlich keine kleinen Kliniken und Kreißsäle mehr haben. Nehmen wir aber mal an, man würde die geburtshilflichen Abteilungen noch mehr ausdünnen, wäre das viel zu wenig. Das würde auch von der räumlichen Ausstattung nicht gehen, für die Hebammen wäre das eine große Mehrbelastung und die  Mütter müssten damit rechnen, schlechter betreut zu werden während der Geburt. Man weiß heute, dass die sicherste Geburtshilfe eine so genannte Eins-zu-eins-Betreuung ist, das heißt eine Hebamme kümmert sich um eine Schwangere während der Geburt. Das ist im Klinikalltag allerdings zurzeit wegen des Personalschlüssels schwer umzusetzen. Geburten sind ja auch keine planbaren Ereignisse.

Je nachdem, wo eine Schwangere im Saarland wohnt, muss sie mehr als 20 Kilometer bis zum nächsten Kreißsaal zurücklegen...

Wiesen Ja, das nördliche Saarland ist da sehr benachteiligt. Da kann es passieren, dass ein Kind im Auto geboren wird.

Was halten Sie von Wunschkaiserschnitten?

Wiesen Ein medizinisch notwendiger Kaiserschnitt ist für mich eine lebensrettende Maßnahme. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Aber ein Wunschkaiserschnitt ohne medizinische Notwendigkeit ist für mich persönlich nicht tragbar. Wir beobachten im Moment aber Gott sei Dank, dass der Trend zum Wunschkaiserschnitt rückläufig ist. Außerdem gibt es jetzt einen Arbeitskreis am Gesundheitsministerium zur Förderung der natürlichen Geburt. Dort arbeiten Vertreter von Krankenkassen, der Ärztekammer, Frauenärzte und Hebammen zusammen, um die Kaiserschnittrate im Saarland zu senken.

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