Hohe Verantwortung, wenig Lohn

Saarlouis. Freiberufliche Hebammen, die Geburtshilfe leisten, müssen ab Juli wieder mehr Berufshaftpflicht zahlen - für den Fall, dass Mutter und Kind bei der Geburt etwas passiert. Von 3689 Euro jährlich steigt die Prämie wiederum an auf 4242 Euro. Im Juli 2011 war sie schon deutlich angestiegen, von 1320 auf 3669 Euro

 Das Baby ist geboren. Doch für ihre wichtige Arbeit wird die Hebamme schlecht bezahlt. Foto: dpa

Das Baby ist geboren. Doch für ihre wichtige Arbeit wird die Hebamme schlecht bezahlt. Foto: dpa

Saarlouis. Freiberufliche Hebammen, die Geburtshilfe leisten, müssen ab Juli wieder mehr Berufshaftpflicht zahlen - für den Fall, dass Mutter und Kind bei der Geburt etwas passiert. Von 3689 Euro jährlich steigt die Prämie wiederum an auf 4242 Euro. Im Juli 2011 war sie schon deutlich angestiegen, von 1320 auf 3669 Euro. "1996 hat die Haftpflicht noch rund 300 Euro gekostet", sagt die Vorsitzende des Saarländischen Hebammenverbandes, Tina Grün. Die drastische Erhöhung rechtfertigen die Versicherer damit, dass immer höhere Summen abgedeckt werden müssen.Viele Hebammen können sich ihren Beruf nicht mehr leisten, beklagt Grün: Bereits im Dezember meldete der Hebammenverband, dass die Zahl der Geburtshelferinnen im Saarland um 17 Prozent zurückgegangen ist. 2011 haben rund 20 saarländische Hebammen die Geburtshilfe, das Kernstück ihrer Arbeit, aufgeben, und versuchen nun, mit Schwangerschaftsvorsorge, Kursen oder Wochenbettbetreuung Geld zu verdienen.

Obwohl die Versicherungspauschale stetig steigt, sind die Regelsätze seit Jahren nicht angepasst worden. Pro Geburt erhält eine Hebamme 237 Euro brutto: Berechnen darf sie acht Stunden für die Entbindung, drei weitere für die Nachbetreuung der Mutter. Dazu kommen Anfahrt und Buchhaltung.

Bisher machten die Krankenkassen bei der Vergütung auch keinen Unterschied zwischen Hausgeburt, Geburt im Geburtshaus oder in der Klinik. Wenigstens hier hat sich etwas bewegt: Für Entbindungen im Geburtshaus hat der Deutsche Hebammenverband mit dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) 150 Euro höhere Bezüge ausgehandelt.

Mehr Kaiserschnitte?

"Die im Saarland ohnehin hohe Kaiserschnittrate wird weiter steigen", befürchtet Rosa-Maria Filice. Sie ist freiberufliche Hebamme, betreibt mit einer Kollegin eine Praxis in Hüttersdorf und entbindet als Beleghebamme im Marienhaus Klinikum Saarlouis-Dillingen. "Die normal verlaufende Schwangerschaft und Geburt ist das Tätigkeitsfeld der Hebamme", sagt die erfahrene Hebamme, die seit 16 Jahren im Beruf ist. "Es wird immer wichtiger, die Frauen zu stärken, zu beraten, mit ihren Ängsten zu arbeiten - das kann ein Arzt nicht ersetzen und es ist auch nicht seine Aufgabe."

Freiberufliche Hebamme ist ein 24-Stunden-Job, das weiß die zweifache Mutter. Für die 24-Stunden-Rufbereitschaft zahlt im Moment nur eine einzige Krankenkasse in Deutschland, die securvita. Manche Kolleginnen verlangen schon von den Schwangeren eine Pauschale für die Rufbereitschaft. "Aber das möchte ich nicht", sagt Filice entschieden. Die Geburtshilfe aufzugeben kommt für sie ebenso wenig in Frage. "Ich mache Geburtshilfe aus Überzeugung, das ist Hebammenkunst", sagt sie.

Nach dieser Erhöhung werden dennoch wieder ein paar mehr aufgeben, befürchtet Grün: "Es wird immer schwieriger, eine Hebamme zu finden. Oder man findet eine, die viele Frauen gleichzeitig betreut, und dann leidet wiederum die Qualität." Um das Plus von 600 Euro im Jahr auszugleichen, ist eine Hebamme gezwungen, mehr Schwangere anzunehmen. "Aber der Tag hat nur 24 Stunden und auch eine Hebamme muss mal schlafen", sagt Rosa-Maria Filice.

Filice war auch zwei Jahre lang fest angestellt und hat sich dann doch für die freiberufliche Tätigkeit entschieden. Der Klinikalltag im Schichtdienst wäre auf Dauer nichts für sie. "Hier in der Praxis lerne ich die Frau vor der Geburt kennen, nicht erst im Kreißsaal. Das macht es mir leichter, sie unter der Geburt gut zu betreuen."

Denn, das vergessen ihrer Meinung nach viele, eine Geburt ist kein medizinischer Routineeingriff im Krankenhaus, sondern ein hochemotionaler Moment im Leben einer Frau. "Eine Schwangere braucht jemanden an ihrer Seite, der sie stärkt und ihr Sicherheit und Vertrauen gibt. Eine Hebamme kann genau das leisten, das ist unser Beruf. Und es ist wichtig, dass wir uns das in Deutschland erhalten."Foto: Filice

Hintergrund

In Deutschland gibt es eine gesetzliche Hinzuziehungspflicht einer Hebamme; das heißt, eine Hebamme muss bei einer Geburt dabei sein.

 Das Baby ist geboren. Doch für ihre wichtige Arbeit wird die Hebamme schlecht bezahlt. Foto: dpa

Das Baby ist geboren. Doch für ihre wichtige Arbeit wird die Hebamme schlecht bezahlt. Foto: dpa

Zirka 7000 Kinder werden im Saarland pro Jahr geboren. Im Saarländischen Hebammenverband sind 226 Hebammen organisiert, nur noch etwa 60 davon bieten Geburtshilfe an. nic

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