Den „doppelt Verfolgten“ helfen

Ottweiler · Mit mehreren Hilfsaktionen will der Verein Ezidische Jugend kurdische und ezidische Flüchtlinge unterstützen. Geplant sind mehrere Hilfskonvois zu den Flüchtlingslagern im Nord-Irak; der erste startet morgen.

 Im evangelischen Pfarrheim Ottweiler fand ein Benefiz-Essen der Internationalen Kochgruppe Ottweiler in Zusammenarbeit mit der Ezidischen Jugend statt. Der Erlös ist für die Menschen in Kobane und Shingal bestimmt. Foto: Willi Hiegel

Im evangelischen Pfarrheim Ottweiler fand ein Benefiz-Essen der Internationalen Kochgruppe Ottweiler in Zusammenarbeit mit der Ezidischen Jugend statt. Der Erlös ist für die Menschen in Kobane und Shingal bestimmt. Foto: Willi Hiegel

Foto: Willi Hiegel

. Freitagabend, evangelisches Pfarrheim. So trist und kühl es draußen ist, so gastlich geht es im Saal zu. Kurz nach sieben gibt es an den langen Tischreihen nur noch vereinzelt freie Stühle. "85 Prozent der Gäste waren deutsche Mitbürger", wird später von den Veranstaltern stolz auf Facebook gepostet. Man redet und lacht, manch einer schielt schon mal rüber zur Wand, wo fleißige Hände ein Buffet aufbauen. Ein junger Mann im weißen Hemd schüttelt mit strahlendem Lächeln Hände: Das ist Sabri Sisamci. Der 29-jährige gebürtige Ottweiler studiert auf dem Umwelt-Campus Birkenfeld Maschinenbau. Richtig konzentrieren kann er sich zurzeit aber nicht darauf - ähnlich wie seine Freunde vom Verein Ezidische Jugend Saarland. Zu nahe geht ihnen das Leid der kurdischen Flüchtlinge aus Kobanê und Shingal. Seit der Irakkrise 2014 führte der Vormarsch der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat im Norden des Iraks und in Syrien zu einer Riesenfluchtwelle vor allem von Eziden. Im Oktober beschlossen die etwa 40 Vereinsmitglieder, aktiv zu werden. "Kurden und Eziden sind doppelt verfolgt", erklärt Sisamci. "Da konnten wir nicht länger tatenlos zusehen."

Geplant sind mehrere Hilfskonvois zu den Flüchtlingslagern im Nord-Irak, der erste startet morgen, am 11. November. Sisamci wird hinterher fliegen und die Spenden vor Ort nach Dringlichkeit verteilen. 20 Tonnen Kleidung konnten bereits gesammelt werden. Woran noch großer Mangel herrsche, sind Medikamente, betont der Organisator. Natürlich werden Sachgüter gern genommen. Noch wichtiger seien aber, und das ist ihm fast peinlich, monetäre Spenden. "Aber dort unten kann man mit dem Geld viel mehr bewirken als hier", Nahrungsmittel kosteten deutlich weniger.

Als Zielmarke haben sich Sisamci und sein Team 15 000 Euro gesetzt. "Die sind fast erreicht", freut sich der Student. Regelmäßig bietet die Gruppe vor dem Saarpark-Center Neunkirchen und der Europa-Galerie in Saarbrücken Kaffee und Kuchen an. Es gab schon ein Benefiz-Fußballturnier in Welschbach, an dem 21 Mannschaften teilnahmen. Und auch auf den Weihnachtsmärkten will man mit Ständen präsent sein.

Weil Mejdin Kurt, der in Düsseldorf arbeitet, noch im Stau steckt, wird sein Vortrag kurzerhand nach hinten verschoben. Nach Grußworten der Lokalpolitik darf zugelangt werden. Bunt, opulent und höchst appetitlich: Mit all den Salaten und kalten Häppchen, gefüllten Teigtaschen und Pizza, Aufläufen und Eintöpfen haben sich die Frauen der Internationalen Kochgruppe selbst übertroffen.

Kulinarische Weltreise



Kulinarisch kann man innerhalb kurzer Zeit Riesenstrecken bewältigen, nach Italien reisen, in die arabische Welt, nach Litauen, in den Irak und die Türkei und dabei echte Schätze entdecken wie den Lamm-Eintopf mit Datteln. Weltweit gibt es rund eine Million Eziden, in Deutschland rund 80 000, 150 Personen davon in Ottweiler . "Die Kurden sind die besseren Deutschen in Ottweiler ", sagt Waltraud Hofmann lächelnd. Als Nachhilfelehrerin hat sie öfters mit kurdischen Kindern zu tun. Ihre Familien engagieren sich in der Stadt. "Sie waren die ganzen Jahre nicht als Kurden sichtbar, sondern als Individuen, die sich integriert haben", betont Ehemann Karlo.

Dann trifft Mejdin Kurt doch noch ein und gibt einen Einblick in die Glaubenswelt der Eziden. "Wir fühlen uns so hilflos", meint er am Schluss. Klar sei die Hilfe, die man geben kann, "nur ein Tropfen auf den heißen Stein." Aber: "Wir werden nicht aufgeben."

Draußen leuchtet der Vollmond. Fröstelnd freut man sich auf das warme Zuhause. Kaum vorstellbar, keines mehr zu haben.

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Auf einen Blick Sachspenden können ab sofort jeden Samstag und Sonntag zwischen 10 und 18 Uhr in Landsweiler-Reden, Am Bergwerk 10, abgegeben werden. Gebraucht wird alles, was Menschen, die nichts mehr haben, beim Überleben draußen im Winter hilft, angefangen von Zelten und Schlafsäcken über warme Kleidung und haltbare Lebensmittel bis hin zu Medikamenten und Hygieneartikeln. Mehr Infos gibt es im Internet unter www.ciwanen-ezidi.de oder unter Telefon (01 76) 74 01 28 85. nig

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