Im zweiten Anlauf klappt's besser

Völklingen/Forbach · In Saarbrückens Nachbarstädten Forbach und Völklingen hilft ein binationales Programm jungen Erwachsenen der Grenzregion, nach einem misslungenen Start auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Vor kurzem trafen sie sich zum gemeinsamen Kochwettbewerb.

 Bei der gemeinsamen Kochübung lernen Mike Bervan, Maria Dainotto und Joséphine Piga (von links) nicht nur, Lebensmittel richtig zu verarbeiten, sondern sie entwickeln auch Teamgeist. Foto: Rich Serra

Bei der gemeinsamen Kochübung lernen Mike Bervan, Maria Dainotto und Joséphine Piga (von links) nicht nur, Lebensmittel richtig zu verarbeiten, sondern sie entwickeln auch Teamgeist. Foto: Rich Serra

Foto: Rich Serra

Höchste Konzentration herrscht in der Küche der Mehrzweckhalle in Forbach-Bruch. Zwei Gruppen junger Erwachsener kochen um die Wette. Was wie eine neue Kochshow fürs Privatfernsehen aussieht, ist in Wirklichkeit Teil eines gemeinsamen grenzüberschreitenden Bildungsprogramms der Ecole de la 2e Chance (E2C) in Forbach und des Tüv Nord in Völklingen. In Frankreich ist diese spezielle Schulform nichts Besonderes. Im ganzen Land gibt es knapp 100 "Schulen der Zweiten Chance" - zwölf davon alleine in Lothringen . In der Grenzstadt Forbach ist die Einrichtung seit 2009 eine Adresse für Erwachsene bis 25 Jahre, welche die Schule abgebrochen haben, die Ausbildung nicht abschließen konnten oder bereits in jungen Jahren lange arbeitslos waren. 2011 startete sie im Rahmen des von der Europäischen Union geförderten Programms Interreg die Kooperation mit dem Tüv Nord in Forbachs Partnerstadt Völklingen.

Einen Tag zuvor waren die drei Männer und zwei Frauen, die heute am Herd stehen, zusammen auf dem Markt in Forbach einkaufen. "Mit 200 Euro musste jede Gruppe einkaufen, um ein Menü für 14 Personen zu kochen", erläutert E2C-Projektleiterin Dalila Ghouila die Aufgabe. "Es war gar nicht so einfach, auf Französisch einzukaufen", gibt der Saarländer Kenneth Gimbel zu, und höhlt die Tomaten aus, um die Thunfischfüllung zu setzen. Aber mit Händen, Füßen und der Vermittlung der französischen Mitschüler haben er und sein Kochpartner Sven Gutt alle Zutaten bekommen, die sie brauchen - und die Vorspeise sieht schon mal gut aus.

In der anderen Gruppe, in der die Franzosen kochen, hat Joséphine Piga das Kommando. Die 23-Jährige hat schon mal in einer Küche gejobbt und hat genaue Vorstellungen davon, wie das Essen heute aussehen soll. Während sie selbst das Fleisch weichklopft, gibt sie Mitschülerin Maria Dainotto Anweisungen, wie sie am besten die panierten Auberginen zubereiten soll. "Ich koche privat, aber richtig professionell… da habe ich keine Ahnung", gesteht Maria und freut sich dennoch auf die praktische Aufgabe: "Das ist mal was anderes."

Zwischen sieben und neun Monate dauert die Maßnahme. Der theoretische Unterricht findet in den jeweiligen Schulen statt. Mathe, Französisch, Deutsch und Informatik stehen auf dem Programm. In Basisfächern muss viel nachgeholt werden, um auf dem Arbeitsmarkt überhaupt eine Chance zu haben. Einmal die Woche gibt es dann gemeinsamen Unterricht, zum Beispiel Sport oder Kunst, abwechselnd in Forbach und im Saarland. "Ungefähr jeden dritten Monat stellen wir ein größeres Projekt mit der binationalen Gruppe auf die Beine", erklärt Corina Mörsdorf , Leiterin der grenzüberschreitenden Projekte im Tüv-Bildungszentrum Fenne. Es kann eine Rätsel-Rallye durch Saarbrücken sein oder eben ein Kochwettbewerb wie heute. Bei einer Schülerzahl von höchstens zwölf sind die Gruppen klein. Ein Luxus könnte man meinen. "Eher eine Notwendigkeit", stellt jedoch Fabien Lo Pinto, Leiter der E2C für Lothringen , fest. "Es gibt keine zwei Teilnehmer mit dem gleichen Niveau, jeder kommt hier mit einem anderen Hintergrund her." Vermittelt werden sie vom Jobcenter auf deutscher Seite und vom Pôle Emploi in Frankreich. So auch Maria. In ihrem Wunschberuf als Kosmetikerin lief es eher schlecht als recht. Mit 19 hat die junge Frau schon eine längere Zeit als Arbeitslose hinter sich. Damit sie Bildungslücken schließt, sich aber auch andere mögliche Berufsfelder erschließt, wurde ihr die Maßnahme bei der E2C empfohlen. In ein paar Monaten wird sie fertig sein und zieht bereits eine positive Bilanz. Einen Abschluss hat sie noch nicht in der Tasche, aber ein neues Ziel: "Ich will Arzt-Sekretärin werden." Heraus aus der Perspektivlosigkeit ist der erste Schritt in Richtung geregeltes Arbeitsleben. "Aber jetzt müssen erst mal die Auberginen paniert werden", sagt Maria und macht sich an das Paniermehl.

In ihrer Gruppe kümmert sich derweil ein Mann um den Nachtisch. "Die Äpfel zu backen ist okay", aber Mike Bervan fiebert eher dem Moment entgegen, wenn er die Gerichte der Jury vorstellen wird.

Auch er hat seit ein paar Monaten nun eine genaue Vorstellung von seiner Zukunft. Nach der Fortbildung in der Ecole de la 2e Chance will er eine Ausbildung als Restaurantfachmann absolvieren. "Im Gastronomie-Bereich komme ich an deutschen Kunden nicht vorbei", erklärt der 22-Jährige. Deshalb ist ihm die Fortbildung hier wichtig, und er nimmt viel auf sich, damit alles klappt. Er wohnt in Carling und ist mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. Wenn um 16.30 Uhr Schulschluss ist, kommt Mike erst um 19 Uhr zu Hause an. "Deutsch finde ich immer noch richtig schwer", sagt er und verzieht das Gesicht. Ganz ohne Übersetzung durch die zweisprachigen Betreuer läuft es heute in der Küche nicht. Aber ein Anfang ist gemacht.

Ob Mike tatsächlich einen Ausbildungsplatz in einem Restaurant findet, ist allerdings noch unklar. Laut Fabien Lo Pinto schaffen 60 bis 65 Prozent der Teilnehmer den Absprung in eine Ausbildung oder ein festes Arbeitsverhältnis. Für Sven Gutt, der gerade seinem Gericht mit Kräutern den letzten Schliff verpasst, sind die Aussichten gut: "Ich büffele gerade für meinen Hauptschulabschluss." Schafft er die Prüfung, zieht er mit Frau und Kind nach Köln. Dort hat er in einem Elektrofachgeschäft eine Zusage für die Ausbildung zum Verkäufer bekommen.

In welchen Bereichen sind Fachkräfte aus dem Nachbarland besonders gefragt?

Mörsdorf : Zahlreiche Partnerschaften wurden in der Wirtschaft sowie mit Verbänden und deutsch-französischen Unternehmensgemeinschaften geschlossen. Ein besonderer Schwerpunkt wurde im Bereich zukunftsträchtige Sektoren gelegt wie Industrie, Hotel- und Gaststätten und personenbezogene Dienstleistungen.

Die Schüler absolvieren anlässlich der Maßnahme auch Praktika in Betrieben in Lothringen beziehungsweise im Saarland. Sind diese jungen Menschen aufgrund ihres fehlenden Abschlusses nicht besonders schwer zu vermitteln? Wie reagieren Unternehmen auf das Projekt?

Mörsdorf : Viele dieser Jugendlichen haben den Anschluss in der Schule auch wegen mangelnder Betreuung verloren. Sie erlernen im Projekt deutsch-französische Schule der zweiten Chance auch die Methodik, um das Lernen und das Benehmen neu zu erlernen. Es handelt sich dabei nicht um Jugendliche, die sich nicht auch in einem Unternehmen positiv einbringen können. Unternehmer sind oft überrascht, dass gerade manchmal das Gegenteil geschieht. Bestes Beispiel ist das Hotel Mercure Süd, das einen Teilnehmer in die Ausbildung im Anschluss an das Praktikum aufgenommen hat.

Ende des Jahres endet die EU-Förderperiode. Wie geht es mit dem Projekt weiter?

Mörsdorf : Schon jetzt haben wir uns einen Überblick über den zurückgelegten Weg geschaffen und bewerten das Projekt. Diese zwei gemeinsamen Arbeitsjahre haben es ermöglicht, eine Dynamik zwischen den Partnern im Dienste der Jugendlichen und der grenzüberschreitenden Unternehmen aufzubauen. Wir sind überzeugt, dass dieses doch sehr kurze Projekt weitergeführt werden sollte. Wir möchten im Rahmen der nächsten Projekt-Ausschreibung von Interreg-Großregion das Projekt weiterführen, und wir sind bereit, einen neuen Antrag einzureichen.

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