Ein blaues Ei wird zum Zankapfel

Hayange · Seit Ende Juli spaltet ein blaues Ei ganz Frankreich. Politiker, Künstler, Bürger und Twitter-Nutzer streiten über die Skulptur, die ein rechter Bürgermeister einfach blau anmalen ließ. Ein Ende im Zwist um Urheberrecht und Schönheit ist nicht in Sicht.

Am Donnerstagabend trafen sich eine Reihe von Bürgern mit dem Bildhauer Alain Mila rund um den Brunnen auf dem zentralen Kirchplatz von Hayange zu einer "Schweigeminute für die Kunst". Die von Mila geschaffene Brunnenskulptur "Wasser als Quelle des Lebens", eine Hommage an den Bergbau aus Metall und Granit in einer Kleinstadt nahe Thionville, beschäftigt inzwischen ganz Frankreich. Vielmehr jedoch noch Fabien Engelmann (34), den neuen Bürgermeister vom Front National (FN), der nicht nur das Brunnenbecken, sondern auch einen Teil der Skulptur blau anstreichen ließ. Ohne den Künstler zu fragen.

"Wie ein Kinderüberraschungsei sieht sie jetzt aus", zeigte sich der aus Thionville stammende und inzwischen im Süden lebende Bildhauer entsetzt, als er erste Bilder von der Bescherung zugeschickt bekam. Die französische Kulturministerin Aurélie Filippetti, von Mila alarmiert, verurteilte die Tat daraufhin in einem Kommuniqué scharf als eine Vergewaltigung des Urheberrechts und des öffentlichen Kulturguts. Doch der junge FN-Bürgermeister, einer von neuerdings elf in Frankreich, war sich keiner Schuld bewusst. Er habe das Stadtmobiliar renovieren lassen, um es zu verschönern, erklärte er gegenüber den Medien, und diesen Brunnen , der im Übrigen viel zu teuer gewesen sei, habe jeder hässlich gefunden.

Nicht nur die französischen Medien verfolgen seit Ende Juli diesen Fall von Kunstanstreicherei mit fast täglich neuen Meldungen, auch in den sozialen Netzwerken sorgt er für Furore. Unter dem Motto "Fabien Engelmann war hier", #hayange, twitterten Nutzer Fotos von Notre Dame über die Mona Lisa bis hin zu Angkor Wat und Stonehenge-Kunstwerken und -denkmälern in aller Welt mit einem blauen oder bunten Anstrich, um sich über den FN-Bürgermeister lustig zu machen. Der hat mittlerweile mitteilen lassen, man werde die Farbe von der Skulptur wieder entfernen. Aber ein Eingeständnis, etwas falsch gemacht zu haben, ist das nicht. Denn gleichzeitig ließ er seinen Pressesprecher gegenüber der französischen Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) verkünden: "Wir werden einen neuen Brunnen an die Stelle setzen. Und ja, er wird blau sein, passend zum Rest des Stadtzentrums."

Die Brunnenskulptur von Mila will Engelmann dafür in einem Park von Hayange bringen lassen. Und schon wieder, ohne sich das Einverständnis des Künstlers geben zu lassen. "Diese Skulptur wurde für einen bestimmten Ort auf dem Platz im Stadtzentrum geschaffen, der Bürgermeister hat mein Werk beleidigt, er hätte mich wenigstens anrufen können", beschwerte sich Mila denn auch gegenüber AFP. Er habe dem FN-Bürgermeister vorgeschlagen, die Skulptur einer anderen Stadt anzubieten.

Ein Ende der Affäre ist noch nicht abzusehen. Jetzt goss der ehemalige Bürgermeister der Nachbarstadt Florange und Präsident der Sozialisten-Gruppe im Generalrat, Philippe Tarillon, noch Öl ins Feuer. Nach Angaben der Online-Zeitung Lor'actu.fr bezeichnete Tarillon, der mit den sozialistischen Vertretern an der Schweigeminute teilnahm, den Hayanger FN-Bürgermeister als "Faschisten". Erst kürzlich hatte FN-Chefin Marine le Pen versucht, den Co-Präsidenten der Front de Gauche, Jean-Luc Melenchon, wegen einer gleichlautenden Äußerung juristisch zu belangen - ohne Erfolg. Das Gericht wertete dies in der Auseinandersetzung mit einer gegnerischen Partei nicht als persönliche Beleidigung.

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