Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik Naher Osten vor neuer geostrategischer Aufteilung

Zweibrücken · Vortrag über Trumps und Europas Außenpolitik im Nahen Osten in der Versöhnungskirche.

 Kinan Jaeger

Kinan Jaeger

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(khu) Der Nahostexperte Kinan Jaeger referierte nach seiner aktuellen Jordanienreise über die aktuellen Spannungen im Nahen Osten sowie die unterschiedlichen Interessenfelder der etablierten Akteure. Mit „Trump, Europa und der Nahe Osten“ bot Jäger in der Versöhnungskirche in über 90 Minuten am 19. Februar eine kompakte und kenntnisreiche Darstellung der aktuellen Situation vor über 50 Gästen.

Jaeger erklärte zu Beginn, dass Trumps Ankündigung, seine Truppen aus Syrien abzuziehen, zu einem gefährlichen Machtvakuum in Nahost geführt habe. Neben Assad und dem Iran, dürfte vor allem die Türkei stark von der neuen geostrategischen Lage profitieren. Dem türkischen Staatspräsidenten Erdogan böte sich nunmehr eine besondere Option, die Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden „auf seine Art“ zu lösen. Denkbar sei leider eine Art Besatzungszone auf syrischem Gebiet unter türkischer Kontrolle, nach Jaegers Darstellung sicherlich keine Ordnung, bei denen die Rechte der kurdischen Bevölkerung eine Rolle spielen.

Der Umgang der USA mit dem Iran und Saudi-Arabien gibt laut Jaeger zunehmend Rätsel auf. Trumps Äußerung und Vorhaben „bring the boys home“ vom 20. Dezember 2018 zieht derzeit etwa 2000 amerikanische Soldaten weg aus Syrien und zurück in die Heimat und andere Regionen. Die Gewinner dieser Rückholmission sind laut Jaeger die Türkei, Iran, Russland und der Rest des IS, Verlierer eindeutig die lokalen Kurden und die Interessen der EU. „Der IS ist ideologisch beileibe noch nicht tot und es gibt weiterhin viele Sympathisanten in der gesamten Region. Die Kurden wollen seit 1923 ihren eigenen Staat, ihre Interessen werden schon wieder verkauft - zum dritten Mal seit 100 Jahren“ sagte Jaeger an dieser Stelle.

Das westliche Lager in Europa tritt derzeit gespaltener auf als selten zuvor. Für die EU scheine es dringend an der Zeit, eine neue, aktiviere Rolle in ihrer südöstlichen Nachbarschaft einzunehmen und sich nicht mehr auf die USA zu verlassen. Dies gelte besonders für Deutschland. Für uns stelle sich derzeit vor allem die Frage nach dem Umgang mit deutschen IS-Rückkehrern. Werden die nun etwa aberkannt hinsichtlich ihrer Staatsbürgerschaft, psychiatrisch geheilt von ihrer Ideologie? Oder hilft doch nur Wegsperren, um das Unberechenbare wenigstens nicht in die freie Gesellschaft zu entlassen? Ein Aspekt mit Sprengkraft, der in 2019 noch eine Rolle spielen wird in unserem Land.

 Nahostexperte Kinan Jaeger sieht den geplanten Abzug der Amerikaner aus Syrien kritisch.

Nahostexperte Kinan Jaeger sieht den geplanten Abzug der Amerikaner aus Syrien kritisch.

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Jaeger verwies auf wirtschaftsstrategische Aspekte und erwähnte die Bedeutung des Öls und viel Geld als Einflussparameter im Nahen Osten: „Syrien durchlaufen drei zentrale Pipeline Systeme für den Rohöltransport, wer die kontrolliert, sitzt am Drücker in diesem wichtigen Transitland für Öl“. Es komme derzeit zu einer neuen geostrategische Aufteilung seit dem Ende des Kalten Krieges in Syrien. Daraus trete eine neue Rivalitätsachse hervor mit Allianzen zwischen Türkei, Iran und Russland einerseits und den USA, Israel und den Saudis auf der anderen Seite. Ein Fingerzeig in dem Zusammenhang sei der 130 Milliarden Dollar Deal für Rüstungsgüter mit dem saudischen Kronprinzen und Trump. Das eigentliche Wettrennen in der Region spiele sich zwischen dem Iran und Saudi Arabien ab, bedenklich sei hierbei vor allem das Raketenprogramm des Iran mit Langstreckenflugkörpern. Die EU möchte in dem Zusammenhang weiter verhindern, dass Iran eine Atombombe entwickelt. Aber wie geht es weiter in der gesamten Region, wird Deutschland sich emanzipieren von den USA? Kommt etwa eine europäische Atomwaffe in Diskussion samt einer eigenen, europäische Armee? Wesentliche sicherheitspolitische Fragen, ihre Lösung stehe derzeit noch aus und beschäftigt die europäische Außenpolitik sehr.

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