Oscar-Regeln gelockert Streit zwischen Filmstudios und Kinos spitzt sich zu

Los Angeles · Corona zwingt die Oscar-Academy zu Veränderungen – und heizt den schwelenden Streit um Kino- und Online-Auswertung an.

Wegen der Coronavirus-Pandemie können in diesem Jahr auch Filme in die Oscar-Auswahl kommen, die nie im Kino waren, sondern ausschließlich bei Streaming-Diensten zu sehen sind. Das teilte die Academy of Motion Picture Arts and Sciences in Los Angeles mit. Normalerweise muss ein Film an mindestens sieben aufeinanderfolgenden Tagen in einem Kino in Los Angeles zu sehen sein, um für eine Nominierung für die Filmpreise infrage zu kommen. Alle Kinos in Los Angeles sind aber seit mehr als einem Monat wegen der Coronavirus-Pandemie geschlossen.

Nach einer Wiederöffnung der Kinos gelte die vorübergehend gelockerte Regel nicht mehr, hieß es von der Academy. Die nächste Oscar-Verleihung ist für den 28. Februar 2021 geplant. Streaming-Dienste wie Netflix hatten bisher ihre Exklusiv-Produktionen zumindest in wenige Kinos gebracht, damit sie ins Rennen für einen Oscar gehen konnten.

„Die Akademie ist der festen Überzeugung, dass es keine bessere Möglichkeit gibt, die Magie des Films zu erleben, als ihn in einem Kino zu sehen“, sagten Academy-Präsident David Rubin und Geschäftsführerin Dawn Hudson. Dennoch mache die Pandemie eine vorübergehende Ausnahme von den Regeln erforderlich. „Die Akademie unterstützt unsere Mitglieder und Kollegen in dieser Zeit der Ungewissheit. Wir erkennen an, wie wichtig es ist, dass ihre Arbeit gesehen und auch gefeiert wird, besonders jetzt, wo das Publikum Filme mehr denn je schätzt.“

Unterdessen entbrannte anlässlich des Online-Erfolgs des Animationsfilms „Trolls World Tour“ ein Streit in der Branche. Der Filmtheater-Betreiber AMC, zu dem in Deutschland die UCI-Kinos gehören, will keine Filme des Studios Universal mehr zeigen. Auslöser für die Drohung war die Ankündigung eines Top-Managers, Filme in Zukunft gleichzeitig in die Kinos und in den Online-Verleih zu bringen. Traditionell werden neue Filme erst im Kino gezeigt und stehen erst einige Monate später zum Kauf oder Ausleihen sowie Streaming zur Verfügung. Dieses Zeitfenster ist in den vergangenen Jahren bereits kürzer geworden, und es gab auch Ideen, Filme zeitgleich zu ähnlichen Preisen wie beim Kinobesuch einer Familie online zu verleihen.

Die Schließung der Kinos in der Corona-Krise schob nun Kinostarts auf – einige Filme wie die „Trolls“-Fortsetzung gingen aber direkt in den sogenannten Premium-Online-Verleih für knapp 20 Dollar in den USA und 15 Euro in Europa. Für Universal zahlte sich das aus: In drei Wochen spielte der Film allein im US-Markt knapp 100 Millionen Dollar ein, wie das „Wall Street Journal“ berichtete. Der Chef von NBCUniversal, Jeff Shell, machte in der Zeitung eine weitreichende Ankündigung: „Wir gehen davon aus, dass wir Filme in beiden Formaten veröffentlichen werden, wenn die Filmtheater wieder öffnen.“

AMC, die weltgrößte Kinokette, konterte mit einem offenen Brief. „Ab sofort wird AMC keinen Film von Universal in einem seiner Kinos in den USA, Europa oder dem Mittleren Osten vorführen“, schrieb AMC-Chef Adam Aron. Genauso werde der Kinokonzern auch gegen jedes andere Studio vorgehen, das den Exklusiv-Zeitraum für Filmtheater nicht einhalten wolle. Bestrebungen von Universal, Filme zum Kinostart auch zuhause verfügbar zu machen, seien bereits seit Jahren bekannt.

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