Kommissar legt Teilgeständnis ab

Saarbrücken · „Nestbeschmutzer“ und „Kameradenschwein“ – so soll ein junger Polizeibeamter von Kollegen beschimpft worden sein, weil er seinen Streifenpartner, dem gewalttätige Übergriffe vorgeworfen werden, belastet.

 Auf der Anklagebank im Saarbrücker Amtsgericht: Der vom Dienst suspendierte Polizeikommissar mit seinem Verteidiger Joachim Giring. Foto: B & B

Auf der Anklagebank im Saarbrücker Amtsgericht: Der vom Dienst suspendierte Polizeikommissar mit seinem Verteidiger Joachim Giring. Foto: B & B

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Seine Dienstwaffe und den Polizeiausweis musste Kommissar M. (31) bereits vor mehr als zwei Jahren abgeben. Seit gestern sitzt der vom Dienst suspendierte Beamte aus Saarlouis vor dem Schöffengericht am Saarbrücker Amtsgericht auf der Anklagebank. Der junge Mann im grauen Hemd, der sich selbst als einen eher südländischen Typ beschreibt, wirkte neben seinem Verteidiger Joachim Giring sichtlich nervös, stellte sich aber dem Blitzlichtgewitter der Fotografen. Während Oberstaatsanwältin Sabine Kräuter-Stockton gleich drei detaillierte Anklageschriften gegen ihn vortrug, streiften seine Blicke durch den Gerichtssaal. Immer wieder blickte er unter sich, etwa als die Anklagevertreterin einige Vorfälle während einer Streifenfahrt am Sonntag, 9. Februar 2014, auflistete. Der Kommissar war auf der größten Inspektion des Landes in der Saarbrücker Karcher Straße beschäftigt. Auf einer Frühschicht soll er regelrecht ausgerastet sein. "Gefährliche Körperverletzung im Amt in Tateinheit mit Verfolgung Unschuldiger, Freiheitsberaubung, Sachbeschädigung, Urkundenfälschung und Widerstand gegen die Staatsgewalt" sowie Bedrohung listet die Anklage auf. Bei einer Verkehrskontrolle auf einem Parkplatz in der Mainzer Straße in Saarbrücken soll er einen Autofahrer geschlagen und gefesselt haben. Der Beifahrer wurde angeblich ebenfalls durch drei Faustschläge auf den Hinterkopf verletzt. Dieses Geschehen schilderte der Angeklagte später zwar anders als die Anklage - die Männer hätten sich polizeilichen Anweisungen widersetzt und ihn beschimpft -, er entschuldigte sich aber bei den Betroffenen und ist offenbar auch bereit, 2000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen.

Der Beamte räumte zudem ein, Rezepte über Schmerz- und Beruhigungsmittel gefälscht zu haben. Hintergrund sei seine Medikamentenabhängigkeit gewesen, in die er nach seiner Suspendierung geraten sei. Er gestand, Widerstand gegen seine Kollegen in Saarlouis geleistet zu haben, die ihn mit mehr als zwei Promille in Gewahrsam nehmen mussten. Beleidigungen und Beschimpfungen bedauere er, ließ er das Gericht unter Vorsitz von Richter Markus Kehl wissen: "Ich bin entsetzt über mich!"

Den Hauptvorwurf der Anklage, einen polizeibekannten und vorbestraften Rumänen, der in einer Diskothek randaliert hatte, geschlagen, gefesselt und mit seiner durchgeladenen Dienstwaffe bedroht zu haben, bestritt er energisch. Er räumte aber den Einsatz von Pfefferspray ein - aus seiner Sicht in einer Notwehrsituation. Den Rumänen beschrieb er zuvor als "unheimlich unberechenbar". Dieser Vorfall hat sich nach den Ermittlungen auf einem Feld bei Fechingen an jenem Februarsonntag ereignet, kurz nach dem Geschehen in der Mainzer Straße. Der Angeklagte will auch seine Dienstwaffe erst später am Streifenwagen durchgeladen haben und nicht vor dem am Boden liegenden Rumänen.

Das mutmaßliche Opfer des Übergriffes, der heute 28 Jahre alte Rumäne, war bis gestern für das Gericht als Zeuge nicht erreichbar. Die Polizei ist jetzt beauftragt, ihn zu suchen und ihm die Ladung zuzustellen. Möglicherweise muss dessen Aussage bei den Ermittlern in der Verhandlung verlesen oder der Vernehmungsbeamte vernommen werden.

Wiedergesehen hat der 31-Jährige gestern vor Gericht seinen früheren Streifenpartner, einen 27 Jahre alten Kommissar. Ursprünglich war auch der angeklagt. Er hat zwischenzeitlich einen Strafbefehl über 70 Tagessätze zu je 50 Euro wegen "Körperverletzung durch Unterlassen" akzeptiert. Der in den Innendienst versetzte Polizist hatte nach anfänglichem Schweigen "reinen Tisch gemacht", seinen Kollegen schwer belastet und eigenes Fehlverhalten eingeräumt. Er habe sich seinem Inspektions-Chef und dem Landespolizeipräsidenten offenbart, nachdem er zuvor bei unmittelbaren Vorgesetzten kein Gehör gefunden haben will. Dem Gericht berichtete er gestern, dass ihn Kollegen als "Nestbeschmutzer und Kameradenschwein" beschimpft haben. Auch ein Foto, auf dem ihm der Kopf abgeschnitten wurde, habe er gesehen. Der Zeuge: "Ich hatte Angst." Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.

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