Missbrauchs-Vorwurf Freispruch für Kardinal Pell

Canberra · Australiens höchstes Gericht kippt überraschend das Urteil wegen Kindesmissbrauchs.

 Der Ex-Papst-Berater  Kardinal George Pell war zunächst wegen Missbrauchs verurteilt worden.

Der Ex-Papst-Berater Kardinal George Pell war zunächst wegen Missbrauchs verurteilt worden.

Foto: dpa/David Crosling

Der wegen sexuellen Missbrauchs verurteilte Kardinal George Pell ist überraschend freigesprochen worden. Das höchste australische Gericht gab am Dienstag dem Berufungsantrag des 78-Jährigen statt. Der ehemalige Berater des Papstes und Finanzchef des Vatikans wurde daraufhin nach rund 13 Monaten in Haft aus einem Gefängnis in der Nähe von Melbourne entlassen. Für Missbrauchsopfer ist das ein schwerer Schlag, da der Fall weit über Australien hinaus Symbolkraft hat.

Aufgrund der Coronavirus-Beschränkungen wurde das Urteil in einem fast leeren Gerichtssaal in Brisbane gesprochen. Im März 2019 war der frühere Erzbischof von Melbourne wegen des Missbrauchs von zwei Chorknaben in den 90er Jahren zu sechs Jahren Haft verurteilt worden, er selbst weist alle Vorwürfe zurück. Pell war damit der ranghöchste Geistliche in der Geschichte der katholischen Kirche, der wegen Kindesmissbrauchs verurteilt wurde. Die Aussage eines früheren Chorknaben, der heute Mitte 30 ist, war dabei maßgeblich. Die Richter hielten es nun für eine „bedeutende Möglichkeit“, dass eine unschuldige Person verurteilt wurde. Die Beweislast war für sie nicht ausreichend, Pells Schuld zu untermauern.

Dass er auf seinen Posten als Finanzchef in Rom zurückkehrt, ist unwahrscheinlich. Denn dort wurde schon vor längerem ein Nachfolger benannt. Auch aus dem Kardinals-Beratergremium des Papstes ist er bereits ausgeschieden. Für den Vatikan ist der Freispruch ein Grund zum Aufatmen. Man begrüße das Urteil, Pell habe immer seine Unschuld beteuert, teilte der Kirchenstaat mit. Für viele Opfer stand der Fall Pell auch immer für das Versagen der katholischen Kirche im Kampf gegen Kindesmissbrauch.

Papst Franziskus äußerte sich wenige Stunden nach dem Urteil vieldeutig in seiner Frühmesse: „In diesen Tagen der Fastenzeit haben wir gesehen, welche Verfolgung Jesus erdulden musste (....): Er wurde von Menschen voller Hass verurteilt, obwohl er unschuldig war.“

Pell nannte die Entscheidung des Gerichts nun ein Heilmittel gegen die „ernsthafte Ungerechtigkeit“, die ihm widerfahren sei. Er hege aber keinen Groll gegen seine Ankläger, sagte er in einer Presseerklärung.

Das Urteil stieß auch auf heftige Kritik. Phil Nagle (55), der in Australien als Schüler von einem Geistlichen missbraucht wurde, sagte, er sei „verwirrt“ und „ungläubig“. Pells Fall zeige, was die Gesellschaft denkt: Den Opfern werde geglaubt, aber dennoch kämen die Verantwortlichen nicht hinter Gitter.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort