GroKo-Aus in Zweibrücken Ein politisches Winterbeben im Stadtrat

Zweibrücken · Anonyme Hassbriefe, Fake-Accounts, Drohungen: Die CDU hat die große Koalition beendet. Die SPD wehrt sich gegen brisante Vorwürfe.

 Die Stimmung zwischen SPD und CDU im Zweibrücker Rathaus ist auf dem Tiefpunkt.

Die Stimmung zwischen SPD und CDU im Zweibrücker Rathaus ist auf dem Tiefpunkt.

Foto: Lutz Fröhlich

„Andeutungen, Vermutungen und Unterstellungen“. So bezeichnet Stéphane Moulin, Fraktionsvorsitzender der SPD im Stadtrat, Vorwürfe der Zweibrücker CDU, die ein politisches Winterbeben in der Rosenstadt ausgelöst haben. Die CDU hat die Koalition der Parteien im Rat beendet. „Ausschlaggebend für unsere jetzige Entscheidung sind die Vorfälle und das Verhalten einiger SPD-Stadtratsmitglieder im zurückliegenden Oberbürgermeisterwahlkampf“, heißt es in einer von den CDU-Fraktionsführern Christoph Gensch und Christina Rauch unterschriebenen Pressemitteilung, die gestern verschickt wurde.

Konkreter wird es in der Mitteilung nicht. Rauch erklärte gestern aber auf Merkur-Nachfrage, SPD-Vertreter hätten im Oberbürgermeisterwahlkampf in sozialen Medien mit „Beleidigungen und Drohungen“ gearbeitet, die Rede ist auch von anonymen Briefen „mit CDU-Hass und Gensch-Hass“, die die Partei erhalten  habe. Zudem sei der Internet-Wahlkampf von Seiten der SPD auch mit Hilfe von „Fake-Accounts“ geführt worden. Die Vorwürfe sind vage – aber brisant. Oberbürgermeister Marold Wosnitza (SPD) sei am Mittwoch über die Entscheidung informiert worden. Dieser wird von den Vorwürfen der CDU ausdrücklich ausgeklammert. „Ihm bieten wir auch weiterhin eine konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle unserer Heimatstadt an“, heißt es in der Pressemitteilung der Partei.

An die SPD kommuniziert wurden die Vorwürfe bis zur Trennung aber nicht, wie Gensch und Rauch gestern bestätigten. Andere Medien hatten berichtet, der finale Grund für die Trennung sei der Umstand gewesen, dass sich die SPD nicht von den Vorfällen distanzieren wollte (Moulin: „Ich wusste weder, dass – noch wovon ich mich distanzieren soll“). Aber warum gab es kein reinigendes Gespräch, um die Differenzen auszuräumen? Diese Frage konnte gestern kein CDU-Vertreter zufriedenstellend beantworten. Ein „Entfremdungsprozess“, sei es gewesen, meinte Rauch, die monierte, dass es schon seit Wochen keine Kommunikation zwischen den Parteien mehr gebe. Doch wie konnte dieser Prozess unbemerkt bleiben? Eine Anfrage zu einem Gespräch von Seiten der CDU habe es gegeben, welches aber nicht zustande gekommen sei, erinnert sich Oberbürgermeister Wosnitza. Darüber hinaus habe auch er – eventuell „wegen des intensiven Wahlkampfs und seinen Nachwehen“ – keine Anzeichen für das behauptete frostige Klima feststellen können: „Ich habe vor einiger Zeit mit den Fraktionsvorsitzenden aller anderen Parteien geredet. Die Gespräche habe ich als sehr entspannt wahrgenommen.“ Die anonymen Briefe der CDU lägen ihm nicht vor und zu den behaupteten Fake-Profilen könne er nichts sagen, so der Oberbürgermeister, der aber rhetorisch fragt: „Was hätten die denn bringen sollen?“ Von Gensch sei er am Mittwoch über die Entscheidung der CDU informiert worden. „Wir haben dann noch diskutiert – nein – eigentlich nur noch kurz gesprochen“, verbessert sich Wosnitza.

Eine detaillierte Aufschlüsselung der Vorwürfe gab es von Seiten der CDU gestern nicht. Die Pressemitteilung solle für sich stehen, erklärte Gensch, der nur zu Protokoll geben wollte, dass „ich die Vorfälle wie meine Fraktionskollegen für so gravierend und so belegbar halte, dass ich ebenfalls für eine Beendigung der Zusammenarbeit gestimmt habe“. Rauch sagte, man habe „Hintergrundinformationen und Indizien von Seiten verschiedener Quellen“, die belegten, dass die angeprangerten Fake-Accounts der SPD zuzuordnen seien. Zur Anzeige bringen wolle man die Vorfälle aber nicht.

Die Zweibrücker SPD lässt die Anschuldigungen nicht auf sich sitzen. Dass CDU-Vertreter einräumten, dass die Vorwürfe juristisch nicht nachweisbar seien, „spricht für sich“, sagte Moulin.  Er ergänzte: „Der Verdacht, dass es sich um eine Inszenierung vor den Kommunalwahlen handelt, liegt zumindest nahe.“ Der SPD-Fraktionsvorsitzende weiter: „Wenn das nun die Mittel sind, mit denen man sich abgrenzen will, finde ich das – vorsichtig formuliert – schwierig.“ Wosnitzas Einschätzung: „Das ist Politik, wir sind im Wahlkampf – und die CDU will sich alle Möglichkeiten offenhalten. Das ist nicht überraschend.“ Rauch dazu: „Es geht nicht um Wahlkampf oder Abgrenzung. Mit dieser SPD würden wir auch nach den Kommunalwahlen nicht weiter zusammenarbeiten wollen.  Am Montag haben wir im Rahmen einer Fraktionssitzung entschieden, dass ein Ende der Zusammenarbeit die einzige richtige Entscheidung ist. Ein ‚Weiter so‘ wird es mit uns nicht geben.“

Ein  CDU-Mitglied, das namentlich nicht zitiert werden wollte, beteuert: „Eine Schlammschlacht über die kommenden Monate wollen wir nicht.“ Ob diese sich aber nun überhaupt noch abwenden lässt? Vom Vorgehen der CDU sei man jedenfalls „sehr irritiert“, erklärte Moulin. Ob das politische Beben von seinen Fraktionskollegen ähnlich zurückhaltend kommentiert werden wird, werden die kommenden Tage zeigen.

Einig sind sich Vertreter beider Parteien unterdessen darin, dass die Trennung kaum Auswirkungen auf das Tagesgeschäft haben wird. Der Koalitionsvertrag wäre nach den Kommunalwahlen in wenigen Monaten ohnehin ausgelaufen, erklärte Moulin. Der SPD-Fraktionsvorsitzende ergänzte: „Wir werden konstruktiv mit anderen Fraktionen reden. Es wird andere Mehrheiten geben. In Sorge bin ich nicht.“ Rauch sagte: „Wir werden weiter unsere Politik machen. Für die Stadt“. Und auch Wosnitza beteuerte: „Wir werden auch in Zukunft zusammen tragfähige Kompromisse finden müssen, die die Stadt voranbringen.“ Das klingt zwar, als lägen die Parteien gar nicht so weit auseinander – könnte aber angesichts des politischen Winterbebens von der Wahrheit nicht weiter entfernt sein.

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