Fidesz verlässt EVP-Fraktion Orban kommt dem Rauswurf zuvor

Brüssel · Ungarns Premier zieht die Abgeordneten seiner Fidesz-Partei aus der christdemokratischen Fraktion im EU-Parlament ab. Die neue politische Heimat steht noch nicht fest.

 Dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban wird seit Jahren die Demontage von EU-Grundwerten vorgeworfen.

Dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban wird seit Jahren die Demontage von EU-Grundwerten vorgeworfen.

Foto: dpa/John Thys

Die Ereignisse dieses Mittwochs waren gerade mal ein paar Stunden alt, da sprach Manfred Weber (CSU) bereits von einem „historischen Treffen“. Zwar bemühte sich der Fraktionschef der christdemokratischen EVP im Europäischen Parlament noch, den Schaden zu begrenzen. Es gebe „keine Gewinner und keine Verlierer“. Doch der harte Bruch mit den zwölf bisherigeren Fraktionskollegen der ungarischen Fidesz-Partei des umstrittenen Ministerpräsidenten Viktor Orban hinterlässt Spuren.

Nach jahrelangem Streit mit den zwölf Parlamentariern aus Ungarn hatte die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), dem Dachverband von fast 50 christdemokratischen Parteien in den 27 Mitgliedstaaten, ihre Geschäftsordnung geändert, um so eine Suspendierung ganzer Landesverbände zu ermöglichen. – vor allem der zwölf ungarischen Fidesz-Vertreter. Doch bevor es dazu kommen konnte, kündigte Orban selbst am Mittag die Mitgliedschaft in der Fraktion auf und zog seine Abgeordneten zurück. Das war kein leichter Akt, denn die Zahl derer, die eine Brüskierung Orbans vermeiden wollten, blieb groß. Doch am Ende waren 84 Prozent der bisher 180 Mitglieder starken Parlamentsfraktion für den Schritt. Weber lobte die „große Geschlossenheit“ und bekannte „enttäuscht“, dass seine Versuche, „Brücken zu schlagen, nicht funktioniert“ hatten. Der CDU-Abgeordnete Dennis Radtke war da deutlicher: „Wer unsere Werte nicht vertritt, hat in der EVP keinen Platz.“

Orban und seine Europa-Vertreter waren immer mehr zu einer Belastung für die Christdemokraten geworden. Im Europa-Wahlkampf 2019 konnte Weber, der damals als Spitzenkandidat der EVP ins Rennen ging, kaum Akzente setzen, weil er sich immer wieder rechtfertigen musste, warum seine Parteienfamilie sich nicht endlich von den Rechtsnationalen aus Budapest trennt. Bei den Diskussionen um rechtsstaatliche Kriterien bei der Vergabe von Haushaltsgeldern im Vorjahr eskalierte dann der Krach immer mehr. Den Höhepunkt markieren wohl die persönlichen Angriffe auf Weber im Dezember vergangenen Jahres. Der Fidesz-Politiker Tamas Deutsch warf Weber damals Gestapo-Methoden vor. Dabei hatte der CSU-Politiker bei der Verteidigung des neuen Rechtsstaatsmechanismus lediglich festgestellt, wer sich an Recht und Gesetz halte, habe nichts zu befürchten.

Hinzu kommt, dass die EVP aus Verärgerung über die anhaltende Demontage von EU-Grundwerten und wegen ehrverletzender Attacken auf den damaligen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker die Fidesz-Partei suspendiert und ihr alle Stimmrechte entzogen hatte. Inzwischen sitzt an der Spitze der europäischen Christdemokraten der Pole Donald Tusk, zuvor EU-Ratspräsident. Der betreibt den endgültigen Rauswurf von Orban aus der EVP-Partei intensiver als jeder seiner Vorgänger. Wo Fidesz nun in der EU-Abgeordnetenkammer eine neue politische Heimat finden könnte, ist offen. Denkbar wäre ein Wechsel zur rechtsnationalen EKR oder zur noch weiter rechts stehenden ID. Für deren Fraktion erklärte AfD-Chef Jörg Meuthen: „Orban ist bei uns willkommen!“ Beides würde die Rechte im Europaparlament stärken. Die EVP bliebe aber stärkste Fraktion.

Bei den übrigen Parteien stieß die Trennung von Fidesz und den Christdemokraten auf Zustimmung. Der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund sagte: „Ich erwarte, dass die EVP – und allen voran die CDU/CSU – beim Schutz des Rechtsstaates in Europa nun endlich die Handbremse löst.“ Der liberale Parlamentarier Moritz Körner sagte: „Durch den Verlust der Fidesz-Abgeordneten für die EVP-Fraktion steigt die Bedeutung der sozialdemokratischen und der liberalen Fraktionen für die Mehrheitsfindung im Europäischen Parlament.“

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