EU-Gipfel In drei Monaten soll der Impfpass stehen

Brüssel · Der EU-Gipfel ringt um die Rückkehr der Freiheiten in Corona-Zeiten. Der Grenzstreit geht zum Auftakt unter, stattdessen keimt Hoffnung auf Sommerurlaub.

 Beim virtuellen EU-Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs fiel die Entscheidung über einen gemeinsamen EU-Impfpass.

Beim virtuellen EU-Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs fiel die Entscheidung über einen gemeinsamen EU-Impfpass.

Foto: dpa/Olivier Hoslet

Die EU will bis zum Sommer einen Impfpass entwickeln. „Das brauchen wir“, sagte Bundeskanzlerin Angel Merkel (CDU) am Donnerstagabend nach dem ersten Tag des virtuellen Gipfeltreffens der 27 Staats- und Regierungschefs. Innerhalb der kommenden drei Monate soll von der EU-Kommission die technische Infrastruktur errichtet werden. Gedacht sei, sagte Merkel weiter, an eine Vernetzung der nationalen Impfausweise, die digital miteinander verbunden würden, sodass die Informationen bei der Ein- oder Ausreise in alle Mitgliedstaaten ausgelesen werden können.

Damit will die Gemeinschaft eine Lösung schaffen, wie sie bereits in Israel mit der grünen Karte eingeführt wurde. Für die bis dahin geimpften EU-Bürger rückt damit in Corona-Zeiten ein Urlaub in den Ländern der Europäischen Union in greifbare Nähe. Für Fernreisen brauche es allerdings eine globale Regelung, hieß es am Abend vom Gipfeltreffen in Brüssel. Athen, Madrid, Lissabon und Wien hatten auf einen grünen Impfpass nach dem Vorbild Israels gedrängt. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz sprach von der „vollen Freiheit“, die er den Impfpass-Inhabern geben wolle. Er freue sich auf viele Urlauber aus Deutschland in Österreich.

Unrealistisch erscheint das nicht. Die Staatenlenker bekräftigten am Abend das Ziel der EU-Kommission, bis zum Sommer mindestens 70 Prozent der erwachsenen EU-Bürger ein Impf-Angebot gemacht zu haben. Dafür müssten die Impfstoffe aber in den kommenden Wochen so wie bestellt geliefert und von den Mitgliedstaaten auch konsequent verimpft werden. „Wir müssen bereit sein, die Vakzine zu den Menschen zu bringen“, appellierte Merkel an die Regierungen der 27 Länder.

Ob das realistisch ist? Neben den drei bereits zugelassenen Impfstoffen erwartet die EU in den nächsten Wochen die Zulassung zweier weiterer Produkte der Hersteller Johnson&Johnson sowie Novavax, bis Juni soll noch ein zusätzliches Vakzin des Herstellers Curevac dazu kommen. Im zweiten Quartal werde Biontech außerdem große Anteile einer zweiten Bestellung über zusätzliche 300 Millionen Dosen den EU-Staaten zur Verfügung stellen. Und die will man offenbar konsequenter in der Union halten. „Die USA exportierten keinen Impfstoff, Großbritannien nur wenig. Dagegen stellt Europa für die gesamte Welt her“, betonte die Bundeskanzlerin. Erst am Mittwoch dieser Woche schickte die Gemeinschaft 600 000 Dosen an den afrikanischen Staat Ghana. Ein weiteres Kontingent soll in den kommenden Tagen für die Bevölkerung der Elfenbeinküste bereitgestellt werden. Um zu verhindern, dass die EU am Ende die ersehnten Vakzine nur für andere herstellt, selbst aber das Nachsehen hat, will Brüssel nun offensiv über einen Exportstopp für den Fall nachdenken, dass die Unternehmen „ihre uns gegebenen Zusagen nicht erfüllen“, sagte Merkel weiter. Die Staats- und Regierungschefs unterstützten dabei die Pläne der Kommission, die inzwischen eine Task Force eingerichtet hat, um langfristig genügend Impfstoffe sicherzustellen. Angesichts der grassierenden Virus-Mutanten rechnet man in Brüssel damit, dass angepasste Vakzine „noch auf Jahre hinaus gebraucht werden – ähnlich wie bei der Grippe“.

Die Ungewissheit angesichts der Bedrohung durch die Mutanten plagt derweil die Staatenlenker. Die Niederlande haben ihre Geschäfte wieder geöffnet. Belgien entscheidet diesen Freitag über Lockerungen, Deutschland nächste Woche, während auch in Frankreich oder Italien die Corona-Zahl wieder steigt. Auf dem europäischen Weg herrscht ein wildes Durcheinander, weil alle raus aus der Pandemie wollen, aber nicht können.

Das vermeintlich „heiße“ Thema der Grenzschließungen ging dagegen am ersten Tag des EU-Gipfels nahezu unter. Österreich, die Slowakei und Tschechien beschwerten sich bei Merkel über die deutschen Kontrollen an den Übergängen, die die Kanzlerin als „beschränkte Schließung“ begründete und versprach, die Einreise für Pendler und Lkw zu beschleunigen. Die Übergänge nach Frankreich sollten dagegen offen bleiben.

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