Laufzeit-Verlängerung gebilligt Frankreichs AKWs dürfen länger am Netz bleiben

Paris · Die Laufzeit der ältesten französischen Reaktoren kann unter Auflagen von 40 auf 50 Jahre verlängert werden. Bedingung ist eine Reihe von Reparaturen, um Nuklearunfälle zu verhindern.

 Für die Leitung des Kernkraftwerks in Cattenom eine gute Nachricht, für Atomgegner eine Horrorvorstellung: Die Atomaufsicht stimmt der Laufzeitverlängerung von französischen Meilern von 40 auf 50 Jahre zu.

Für die Leitung des Kernkraftwerks in Cattenom eine gute Nachricht, für Atomgegner eine Horrorvorstellung: Die Atomaufsicht stimmt der Laufzeitverlängerung von französischen Meilern von 40 auf 50 Jahre zu.

Foto: dpa/Christophe Karaba

Vor genau einem Jahr ging der erste Reaktor des Kernkraftwerks im elsässischen Fessenheim an der Grenze zu Baden-Württemberg vom Netz. Im Juni wurde das älteste AKW Frankreichs, das seit 1977 Strom produzierte, endgültig abgeschaltet, nachdem das Datum über Jahre mehrmals verschoben worden war. Seitdem war auf der deutschen Seite der Grenze und auch in Luxemburg die Hoffnung aufgekeimt, dass Frankreich mittelfristig auch das AKW im lothringischen Cattenom schließen könnte. Dabei hatte dessen Leitung bereits vor Jahren ihr Ziel ziemlich klar kommuniziert, über die bisherig genehmigte Laufzeit von 40 Jahren hinauszugehen. Stetig wurden am grenznahen Standort die Blocks nach und nach gewartet. Vor zwei Wochen hat die Generalüberholung für Block 3 begonnen. Besonders geprüft werden dabei der Reaktordruckbehälter und das Reaktorgebäude aus Beton. Beide sind nicht austauschbar. Geben die Prüfer der französischen Atomaufsichtsbehörde ASN nach der Inspektion grünes Licht, kann der Reaktor weitere zehn Jahre Strom produzieren.

Nun hat das AKW in Cattenom die besten Aussichten, auch nach dieser nächsten Frist weiterhin Strom zu produzieren. Denn die ASN hat den Weg für die Verlängerung der möglichen Laufzeit der Meiler von 40 auf 50 Jahre freigemacht. Das heißt, alte Kernkraftwerke dürfen in Frankreich in Zukunft länger am Netz bleiben. Zur Bedingung machte die Autorité de Sûreté Nucléaire (ASN) allerdings eine Reihe von Reparaturen, um die Sicherheit zu erhöhen und das Risiko von Nuklearunfällen bei den 32 ältesten Reaktoren so weit wie möglich zu minimieren. Bei den betroffenen Reaktoren handelt es sich um die sogenannte 900-MW-Baureihe. Nach Angaben von Greenpeace haben bereits 13 von ihnen das Höchstalter von 40 Jahren überschritten, das die mehrheitlich staatliche Betreibergesellschaft Electricité de France (EDF) ursprünglich vorgesehen hatte.

In Frankreich müssen die Atommeiler alle zehn Jahre einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen werden. Nur wenn die Technik nicht beanstandet wird, darf ein AKW weiter am Netz bleiben. „Die vierte periodische Überprüfung ist von besonderer Bedeutung, da bei ihrer Auslegung von einer 40-jährigen Betriebsdauer ausgegangen wurde“, schreibt die Atomaufsicht in einer Mitteilung am Donnerstag. Weiter erklärt die Behörde, dass bei entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen und Reparaturen ein Weiterbetrieb dieser Reaktoren auch nach 40 Jahren und einer erfolgreichen Überprüfung möglich ist.

Die französische Regierung hatte bereits im April 2020 den Weg für die Laufzeit-Verlängerung freigemacht. Das Land ist auf Kernkraft angewiesen, da es rund 70 Prozent seines Stroms aus der Atomkraft bezieht. Die Verlängerung betrifft unter anderen das Atomkraftwerk Bugey östlich von Lyon, das seit Ende der 70er Jahre in Betrieb ist. Betroffen sind auch die Reaktoren in Dampierre südlich von Paris und Tricastin nördlich von Avignon, die seit Anfang der 80er Jahre Strom produzieren.

Angesichts der Entscheidung der Behörde ASN ist die Hoffnung mancher Atomkraftgegner endgültig verpufft, dass Frankreich angesichts von vielfältigen Problemen bei den Kernkraftwerken den Einstieg in den Ausstieg aus der Kernenergie schneller vorantreiben würde. Im Gegenteil: Paris will sich sogar mehr Zeit lassen. Noch 2015 hatte der damalige Präsident François Hollande angekündigt, innerhalb von zehn Jahren den Atomstrom-Anteil am Energiemix von fast 75 auf 50 Prozent zu senken und zugleich in erneuerbare Energien zu investieren. Doch unter Präsident Emmanuel Macron wurde diese Frist auf 2035 verschoben. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen 14 von insgesamt 58 Reaktoren heruntergefahren werden.

Ein Argument in Frankreich für das Festhalten an den Atomkraftwerken ist, dass Strom aus Kernenergie dem Land zu einer CO2-freien und billigen Energie verhelfe. Kritiker halten das für eine Milchmädchenrechnung. Der Grund: immer häufiger stehen einzelne Meiler wegen Pannen still oder sie müssen wegen ihres Alters überholt werden. Zudem sind im aktuellen Strompreis die kaum zu kalkulierenden Kosten für den Rückbau der Atomkraftwerke nicht enthalten. Auch die Probleme mit der Stromversorgung in den immer heißer werdenden Sommern bleiben unberücksichtigt. Wegen der ungewöhnlichen Hitzewellen musste nach Angaben des Netzbetreibers RTE die Leistung der Reaktoren immer wieder gedrosselt werden. Das warme Flusswasser durfte nicht mehr zur Kühlung der Anlagen benutzt werden. Teilweise musste Strom importiert werden.

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