Syriens Kriegsparteien blicken jetzt nach München

Genf/Damaskus · Frauen jubeln ausgelassen, Männer in Uniformen lassen sich als Befreier feiern. Einen Tag nach dem Vormarsch der syrischen Regierungsanhänger nördlich der Stadt Aleppo zeigen Bilder des regimenahen Senders Al-Mayadeen, wie die Armee und ihre Verbündeten in die Dörfer Nubul und Sahraa einrücken.

Es ist ein Sieg der Armee, der auch rund 3500 Kilometer entfernt große Auswirkungen zeigte. Denn während Syriens Soldaten mit Irans und Russlands Hilfe die Angriffe in Nordsyrien verstärkten, musste UN-Vermittler Staffan de Mistura in Genf einsehen, dass die Friedensgespräche zwischen Regime und Opposition in der Sackgasse stecken. Er vertagte sie auf Ende Februar.

Nach nur wenigen Tagen stand in der Schweiz fest, dass die Kluft zwischen den Forderungen der Opposition und der realen Lage im Land zu groß ist. Wieder und wieder verlangten die Gegner von Präsident Baschar al-Assad das Ende der syrischen und russischen Angriffe auf Zivilisten, stattdessen intensivierte Moskaus Luftwaffe ihre Flüge. Auch dem von der Opposition geforderten Ende von Blockaden durch das Regime kamen die Gespräche kaum näher - vielmehr könnten nun die von Rebellen gehaltenen Teile der Metropole Aleppo belagert werden.

Mit der Unterbrechung der Gespräche gesteht der erfahrene Diplomat auch ein, dass ihm bei der derzeit wichtigsten Frage die Hände gebunden sind: einem Waffenstillstand . Denn dieser kann nur zwischen den beiden größten Mächten ausgehandelt werden, Russland als Unterstützer des Regimes und den USA als Verbündeter der Opposition.

So schauen Diplomaten und Kriegsparteien auf die Münchner Sicherheitskonferenz in der nächsten Woche, in deren Umfeld es zum nächsten Treffen aller in Syrien engagierten Mächte kommen soll. Sprechen wollen die Teilnehmer vor allem über Waffenstillstände und humanitäre Hilfslieferungen für blockierte syrische Gebiete. Aus Genfer Verhandlungskreisen ist zu hören, eine Verständigung zwischen den USA und Russland sei eine Grundvoraussetzung für den weiteren Verhandlungsprozess.

Trotz der Unterbrechung sehen Diplomaten die Gespräche nicht als gescheitert an. "Der Zug hat auf halber Strecke angehalten, aber die Passagiere sind nicht ausgestiegen", heißt es aus Genf. Und in der Tat ist es als Erfolg zu bewerten, dass in der Schweiz überhaupt ein Gesprächsprozess begonnen hat. Weder sei es dem Regime gelungen, einen Boykott der Opposition zu provozieren, noch hätten die Regimegegner mit dem Abbruch der Verhandlungen gedroht, ist zu hören.

Und das Verhältnis der Vermittler zur Opposition hat sich verbessert. Noch zum Beginn der Genfer Gespräche hatte der Chef des Oppositionsbündnisses Nationale Syrische Koalition, Chaled Chudscha, dem Diplomaten vorgeworfen, er habe die "iranische Agenda" übernommen. In der Schweiz aber konnte de Mistura eine neue Vertrauensbasis zu Assads Gegnern aufbauen.

Auch die Opposition zeigte sich geschlossener als früher. Vor allem die bewaffneten Gruppen aber sehen die Gespräche in Genf skeptisch. Einen engen Draht haben sie zu Riad Hidschab, dem Chef des in Riad ansässigen Hohen Verhandlungskomitees (HNC) der Regimegegner. Er stellte nach der Verschiebung eine klare Bedingung: Die Opposition werde nur dann nach Genf zurückkehren, wenn sich die humanitäre Lage in Syrien verbessert habe. Eine hohe Messlatte.

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