Regieren in Düsseldorf wird zum Kraft-Akt

Düsseldorf · . Gegenseitige Sympathien werden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nicht nachgesagt.

Gemeinsamkeiten haben sie aber doch: Auch wenn die politische Lage schwierig wird, bleiben ihre Popularitätswerte hoch. Heute steht Kraft ein Jahr an der Spitze einer rot-grünen Mehrheitsregierung im bevölkerungsreichsten Bundesland. Zuvor hatte sie fast zwei Jahre Deutschlands einzige Minderheitsregierung geführt und sich bei dem politischen Balance-Akt im Fünf-Parteien-Parlament viel Respekt erworben.

Doch nun ist die Schönwetter-Periode vorbei: Seit Monaten machen Beamte mobil gegen Abstriche bei den diesjährigen Tariferhöhungen. Viele Auftritte der Regierungschefin sind begleitet von protestierenden Richtern und Polizisten. Vor dem Landtag bescherten sie ihr im vergangenen Monat die größte Demonstration ihrer Amtszeit.

Wegen der höchsten Neuverschuldung aller Bundesländer hat die Opposition Kraft den Titel "Schuldenkönigin" verliehen. Dass sie sich auspfeifen lassen muss, weil sie den höchsten Besoldungsgruppen zwei Nullrunden verordnen will - damit aber Stellenstreichungen vermeidet - ärgert die Sozialdemokratin. Dennoch will sie Kurs halten: "Das muss man aushalten und das halte ich auch aus."

Eine noch größere Baustelle ist der gemeinsame Unterricht behinderter und nicht behinderter Kinder. Viele Bundesländer blicken darauf, wie NRW die Behindertenrechtskonvention umsetzen wird. Bei den Experten ist der Gesetzentwurf von Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) krachend durchgefallen. Sie vermissen vor allem verbindliche Standards zur Qualitätssicherung. Löhrmann wird nachsteuern müssen. Damit hat die Vize-Regierungschefin die wohl schwerste Aufgabe im Kabinett.

Proteste gibt es weiterhin gegen das Nichtraucherschutzgesetz, das unter der Mehrheitsregierung eines der schärfsten der Republik wurde. Ein Bündnis sammelt schon Unterschriften für ein Volksbegehren.

Ein rot-grüner Zankapfel bleibt der Streit über das geplante Steinkohlekraftwerk in Datteln. Das milliardenschwere Projekt, das einmal der modernste Steinkohle-Meiler Europas werden soll, liegt nach zwei Gerichtsurteilen wegen zahlreicher Verstöße gegen Umwelt- und Planungsrecht auf Eis. Viele SPD-Politiker sähen es gerne am Netz, die Grünen sind dagegen und blockieren es auf kommunaler Ebene.

Dennoch ist das Klima in der rot-grünen Koalition professionell geblieben. Beide Partner halten sich an den Koalitionsvertrag und setzen ihn Dank komfortabler Mehrheit im Landtag Stück für Stück um. Verabschiedet wurden unter anderem ein ambitioniertes Klimaschutzgesetz, eine Ladenschluss-Novelle, Reformen für stärkere Bürgerbeteiligung und ein Milliarden-Hilfsprogramm für die Kommunen.

Trotz vieler ungelöster Aufgaben behauptet Kraft ihren Platz als beliebteste Sozialdemokratin Deutschlands. Angesichts dessen haben es die drei Oppositionsparteien im Landtag schwer. Immerhin hat die CDU ihr Trauma nach dem Absturz unter Norbert Röttgen überwunden. Laut Umfragen ist sie von 26 (bei der Landtagswahl) auf 35 Prozent geklettert. Der Aufwind der FDP unter Christian Lindner flaut hingegen ab, die Piraten drohen in der Bedeutungslosigkeit zu versinken.

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