Angela Merkel Superstar

Welch ein Paukenschlag: Weil sich die Bürger bei der Bundestagswahl nicht klar für eines der beiden Lager entscheiden konnten, gaben sie der Union aus CDU/CSU einfach eine gewaltige Mehrheit – und den Liberalen einen Fußtritt. Auch interessant: Einer der langweiligsten Wahlkämpfe in der Geschichte der Bundesrepublik hat eines der spektakulärsten Ergebnisse gebracht.



Die Union stark wie seit Jahrzehnten nicht, sogar in der Nähe einer Alleinregierung - und das ohne erkennbaren Anlass! Die FDP erstmals nach dem Krieg nicht mehr im Bundestag vertreten - ein historischer Moment, zumal die Liberalen noch vor vier Jahren das beste Bundesergebnis ihrer Geschichte eingefahren hatten. Was für ein Drama! Es ist die späte Quittung für ein verschwommenes Profil, für falsche Akzentsetzung und ständige Personalquerelen. Und weil viele Altliberale nun für die AfD votierten, kamen die rechten Euro-Gegner beinahe ins Parlament - Protest einer bürgerlichen Elite, die offenbar Angst um ihr Vermögen hat. Doch diese marktwirtschaftlich-konservativen Wähler haben sich verkalkuliert: Jetzt gucken FDP und AfD beide in die Röhre.

Dann die SPD mit ihren etwas mehr als 25 Prozent: Ein allenfalls lauwarmes Erfölgchen nach dem 23-Prozent-Desaster von 2009. Die Genossen sind, Hartz IV lässt grüßen, weiter meilenweit von ihrem alten Status als große Volkspartei entfernt. Zwar hat sich Peer Steinbrück nach seinem vermurksten Wahlkampf im Endspurt noch wacker geschlagen und eine respektable Figur gemacht. Doch gemessen an der politischen Agenda der vergangenen vier Jahre muss man fragen: Wenn nicht jetzt, wann dann? Wann soll eine sozialdemokratische Partei wieder auf Augenhöhe mit der Union kommen, wenn dies nicht mal in einer Situation gelingt, in der die Regierung alles andere als geglänzt hat?

Ähnliches gilt für die Grünen, deren Blütenträume verwelkt sind. Sie haben sich durch ihre Steuererhöhungspläne und pädophilen Altlasten praktisch selbst entsaftet. Es ist, gemessen am demoskopischen Höhenflug nach Fukushima, ein spektakulärer Absturz, der vermutlich wie bei der FDP nicht ohne personelle Folgen bleiben wird. Nur die Linkspartei hat erwartungsgemäß abgeschnitten, mehr war nach dem bundespolitischen Abgang des Altstars Oskar Lafontaine wohl nicht drin. Und dass die chaotischen Piraten so grandios gescheitert sind, haben sie sich selbst zuzuschreiben.

Der Wahlausgang ist ein einziger Triumph für die Kanzlerin: Angela Merkel Superstar. Mit Fug und Recht lässt sich sagen, dass die CDU-Chefin diese Wahl nahezu im Alleingang gewonnen hat. Obwohl ihr in den letzten Jahren mehrere Hoffnungsträger und Minister abhanden kamen, obwohl ihr innenpolitisch so gut wie nichts gelang und auch die Außenpolitik vor schweren Fehlern strotzte, haben die Bürger ihr das Vertrauen geschenkt. Warum? Die Frage ist einfach zu beantworten: weil es der Mehrheit des Volkes relativ gut geht. Weil Deutschland im krisengebeutelten Europa eine Insel der Seligen ist. Weil Merkel den Prototyp des unprätentiösen Politikers verkörpert, der unaufgeregt seine Arbeit macht und sich nicht eitel produziert. Das mögen die Deutschen, deshalb haben sie die Kanzlerin wiedergewählt.

Was nicht vergessen werden darf: In Hessen wurde gestern auch ein neuer Landtag gewählt, und das Ergebnis ist nicht minder interessant. Auch hier scheiterte die FDP, zugleich ist in Wiesbaden nun theoretisch ein rot-rot-grünes "Ypsilanti"-Bündnis möglich. Das wird jetzt spannend: Verhelfen die Grünen der Hessen-CDU zur Regierungsmehrheit oder gibt es (auch) hier eine große Koalition? Fazit: Nach Lage der Dinge wird es in Berlin ein Bündnis der Großen geben. Merkel sprach gestern von ihrem Interesse, "stabile Verhältnisse" anzustreben. Das ist, nach Umfragen, die Wunsch-Koalition der meisten Bürger. Auch im Hinblick auf die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat wäre eine große Koalition sinnvoll. Die Verlierer des Sonntags - und das sind außer der Union ja fast alle - haben immerhin einen kleinen Trost: Bei der nächsten Wahl sind ihre Chancen deutlich besser. Das werden auch CDU und CSU in vier Jahren spüren.

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