Hannelore gibt der SPD wieder Kraft

Düsseldorf. Die SPD fühlt sich beflügelt wie lange nicht: "Schuld" daran ist ihre Hoffnungsträgerin Hannelore Kraft. Schon die Bildung ihrer Minderheitsregierung 2010 sei Startschuss für den Wiederaufstieg der SPD gewesen, lobte Bundesparteichef Sigmar Gabriel am Samstag beim Sonderparteitag der NRW-SPD in Düsseldorf

Düsseldorf. Die SPD fühlt sich beflügelt wie lange nicht: "Schuld" daran ist ihre Hoffnungsträgerin Hannelore Kraft. Schon die Bildung ihrer Minderheitsregierung 2010 sei Startschuss für den Wiederaufstieg der SPD gewesen, lobte Bundesparteichef Sigmar Gabriel am Samstag beim Sonderparteitag der NRW-SPD in Düsseldorf. Jetzt erhoffen sich die Sozialdemokraten noch mehr: Bei der Landtagswahl am 13. Mai soll Kraft eine stabile rot-grüne Mehrheit holen und damit den Hebel umlegen für den Bund - wie schon mehrfach in der Landesgeschichte."Die Umfragewerte sind nicht schlecht", stellte Kraft angesichts anhaltender Sieges-Prognosen für Rot-Grün in NRW fest. Die "Wasserstandsmeldungen" seien aber kein Grund, die Wahl als gewonnen anzusehen, mahnte sie ihre Parteifreunde. "Ich hab' jetzt so'n Abreißkalender im Auto - ab heute sind es noch 43 Tage harte Arbeit."

Die nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten statteten ihre volksnahe Spitzenkandidatin jedenfalls mit einem Traumergebnis aus: Mit 99,3 Prozent wurde sie zur Nummer 1 gewählt. Ihre ganze Familie war dabei, die politische und die private: ihr Mann Udo, ihre Mutter und zwei Cousins in der ersten Reihe, ebenso wie der frühere NRW-Ministerpräsident und mögliche Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, Ex-Parteichef Franz Müntefering und Generalsekretärin Andrea Nahles.

Für Norbert Röttgen dürfte es am Mittwoch schwierig werden, bei der CDU-Delegiertenversammlung "in der Höhle der Löwin", Krafts Heimatstadt Mülheim, ein ähnlich starkes Ergebnis als Spitzenkandidat einzufahren. Mancher Parteifreund nimmt es dem Bundesumweltminister übel, dass er sich nicht auch für den Fall der Niederlage klar zu NRW bekennt - eine Achillesferse, die Kraft und Gabriel reichlich traktierten.

"Ich weiß nicht, ob Ihr den neuen Witz am Flughafen in Berlin kennt", stichelte Gabriel. "Wenn jemand nach Düsseldorf fliegt, muss der nur sagen: ein Röttgen-Ticket bitte. Dann weiß die am Schalter schon, es geht um Hin- und Rückflug, nur die Frage Business oder Economy ist noch offen. Der Witz kommt übrigens aus der CDU."

Kraft und Gabriel griffen Röttgen aber auch auf der sachlichen Ebene an: Die vor allem für die nordrhein-westfälische Wirtschaft so wichtige Energiewende werde vom Bundesumweltminister nicht vorangetrieben, bekräftigten sie. Damit wollen sie Röttgen auch im Wahlkampf attackieren.

Zudem attestierte Kraft ihrem Herausforderer eine Glaubwürdigkeitslücke. Die CDU halte sich im Wahlkampf offen, ob sie die Studiengebühren wieder einführen und die Beitragsfreiheit im dritten Kindergartenjahr wieder abschaffen wolle, kritisierte Kraft. Bei ihren Sparvorschlägen für den Landeshaushalt 2012 habe sie jedoch beides eingerechnet. "Was ist das für eine Politik?"

Beide Spitzenpolitiker versprachen den notleidenden Kommunen, ihre Hilferufe nicht ungehört verhallen zu lassen. "Das trifft aber nicht nur das Ruhrgebiet", betonte Gabriel. "Überall in Deutschland findest du inzwischen Zustände, wo die Städte sozial und kulturell entkernt sind." Die Kommunen gehörten in den Mittelpunkt sozialdemokratischer Politik, sagte Gabriel. Um den Städten und Gemeinden wieder Luft zum Atmen zu verschaffen, sei aber ein Regierungswechsel nächstes Jahr im Bund nötig, unterstrich Kraft.

Einer kann sich das gelassen von außen ansehen. Der ehemalige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers zieht sich zwei Jahre nach seiner Wahlniederlage aus der Politik zurück. Auf der Vorschlagsliste, den der Landesvorstand der CDU am Samstag verabschiedet hat, taucht sein Name nicht mehr auf.Foto: Schuermann/dapd

"Die Umfragewerte sind nicht schlecht."

Hannelore Kraft, SPD-Spitzenkandidatin in NRW

Der neue Fixstern der SPD

Von SZ-RedakteurBernard Bernarding

Hannelore Kraft hat im größten Bundesland NRW geschafft, was die Genossen in Berlin seit Jahren versuchen: Glaubwürdigkeit und Sympathie zu vermitteln. Ihre unbekümmerte und natürliche Art kommt an bei den Leuten, und deshalb wird ihr auch nachgesehen, dass Rot-Grün eher bescheidene Erfolge vorzuweisen hat. Nach Lage der Dinge hat der zaudernde Konkurrent Norbert Röttgen keine Chance, ihr die Staatskanzlei streitig zu machen. Interessanterweise beschert der neue Fixstern der SPD aber nicht nur der CDU Probleme, sondern auch der eigenen Partei: Gegen das muntere Kraft-Paket aus Düsseldorf wirken die drei Musketiere von Berlin (Gabriel, Steinbrück, Steinmeier) wie Nebendarsteller. Die Frage, warum die SPD bei der Bundestagswahl nicht gleich ihre "beste Kraft" gegen Angela Merkel ins Rennen schickt, wird nach einem Wahlsieg im Mai wohl unausweichlich.

Hintergrund

Mit einem überragenden Ergebnis ist Christian Lindner zum Spitzenkandidaten der FDP für die Landtagswahl am 13. Mai gekürt worden. Der 33-Jährige erhielt gestern auf dem Landesparteitag in Duisburg 99,7 Prozent der Stimmen und wurde auf den ersten Platz der Landesliste gewählt. Von den 395 Delegierten gab es nur eine Gegenstimme. "Mir geht schon ein kleiner Schauer über den Rücken", sagte Lindner zum Wahlergebnis. dapd

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